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Rumänien Miercurea Ciuc 2008

Ein Bericht von Nina Schöllhorn | Tierärztin

Eine in Tierschutzkreisen sehr bekannte Dame sagte einst: „Wenn die Gefühle und das Mitleid für die Tiere abhanden kommen, hat man im Tierschutz nichts mehr zu suchen.“ Sicherlich beinhaltet dieses Zitat einen wahren Kern, denn wer ohne Gefühle und ohne Mitleid lebt, der ist generell ein armer Mensch. Aber es gibt im Tierschutz eine farbenfrohe Palette von der Auslebung und der Umsetzung eben dieser Gefühle und dem Mitleid.Gerne führe ich hier das Beispiel von den querschnittsgelähmten Hunden an: auf Kreta lebt in einer Station ein Hund ohne Kontrolle über seine Hinterbeine. Er besitzt eine Art Rollstuhl, mit dem er sich prima zu Recht findet und seine Lebensqualität ist hoch. Man kümmert sich um ihn. Nie würde ich auf die Idee kommen, dieses Tier, bloß weil es gelähmt ist, einzuschläfern. Wechseln wir die Örtlichkeit und besuchen ein Tierheim in Italien auf einer Müllkippe. 300 Hunde, kein Strom, kein Wasser, nicht genügend Futter. Von allem anderen ganz zu schweigen. Wir finden ebenfalls einen querschnittsgelähmten Hundm der seine Hinterbeine rutschend durch den Schotter zieht. Die Beine sind offen, eitern und die Fliegenmaden feiern eine Party in dem faulen Fleisch. Ohne wenn und aber gehört dieser Hund eingeschläfert. Warum beginne ich den rumänischen Bericht mit diesen Beispielen?

Bei dem anschließenden Gespräch nehme ich kein Blatt vor den Mund. Immer wieder werden wir in Tierheime gerufen, die mit einer Anzahl von 300 Tieren noch zu den kleineren gehören. Die Tierheime quellen über, nichts funktioniert, vom nichtvorhandenen Geld einmal ganz zu schweigen. Aber trotzdem nehmen die tierlieben Verantwortlichen immer wieder Hunde auf, weil sie sonst auf der Straße sterben. Ich bin stinksauer. Zählen denn nur die Toten auf der Straße? Sind immer nur die Stadtverwaltungen die Bösen, die Hundefänger oder die Tierärzte mit der Todesspritze? Wer zählt denn die Toten im Tierheim? Wer zählt die, die qualvoll an Staupe oder an Parvo sterben? Sie sterben einen teilweise wochenlangen Todeskampf.

Sie sehen, liebe Tierfreunde, es ist ein und derselbe medizinische Fall, aber die Auslegung, die Auswirkung und auch die Entscheidung sind völlig unterschiedlich. Gefühle und Mitleid dürfen einer soliden Entscheidung niemals im Wege stehen! Wirklich??? Und nun möchte ich in Rumänien herausfinden, inwieweit die oben zitierte Behauptung Wahrheiten enthält. Behindern Emotionen eine solide Tierschutzarbeit, ein komplettes Tierschutzkonzept oder sogar ein ganzes Tierheim? Der Tierärztepool ist vom Verein Bruno Pet e.V. um Hilfe gebeten worden. Es ist eine Form der Hilfe, die nicht jeder zu leisten in der Lage ist, denn es sollen in einem Tierheim, welches tief in den Karpaten gelegen ist, 230 Hunde kastriert werden. Die Bedingungen sind typisch für ein ausländisches Tierheim und es sind Improvisationsgeist und eine Menge Erfahrung gefragt.

Ines Leeuw, Carina Bercht und ich stellen uns dieser Aufgabe. Selbstverständlich beinhaltet unser Besuch auch die medizinische Kontrolle inklusive innovativer Vorschläge zur Verbesserung des Managements. Spät in der Nacht erreichen wir unsere Pension. Der Leihdacia hat uns sicher, wenn auch rutschig, durch die Karpaten geführt. Im dichten Schneetreiben ist uns ein kurzer Blick in dieser tiefschwarzen Nacht hinüber zum Tierheim verwehrt geblieben. Weder die beschriebene Müllkippe, noch das dahinter liegende Tierheim konnten wir erspähen. Es liegt wenige Kilometer vor der Pension, aber zu sehen ist in dieser Nacht nichts. Müllkippe, Tierheim da war doch was. Ach ja, erkennen wir an dieser geographischen Anordnung doch gleich den Wert von Straßenhunden in dieser Gemeinde. Am nächsten Morgen ist von dem nächtlichen Schneetreiben nichts mehr zu sehen. Als wir vor dem Tor des Tierheimes stehen öffnet ein Arbeiter, der nur zu erahnen scheint, wer wir sind. „"Chef kommt",“ deutet er an und bittet uns mit konfusen Armbewegungen um ein bisschen Geduld. Sein Äußeres lässt Rückschlüsse auf die hier herrschende Sauberkeit zu. Ich bitte um Einlass und betrete ein Tierheim, welches vielen Tierfreunden die Füße unter den Beinen wegziehen würde.

Mir nicht, denn Emotionen gebe ich am Eingang ab. Der Geruch der Kot- und Urin durchtränkten Erde zeigt mir den Weg. Mit der typischen Eididei- und Och-bist-du-süß- Philosophie werden wir hier nicht weit kommen. Mein Blick huscht über die Zwinger, die Hunde, die provisorisch zusammengenagelten Türen, die „Küche“. Der Küchenvorplatz. In einigen Boxen sitzen Muttertiere mit ihren Welpen. „"Na, Eure Chancen, hier zu überleben, dürften relativ gering sein“", denke ich. Zu weiteren Spekulationen über die Überlebensrate von Jungtieren bleibt keine Zeit, denn der „Chef“ ist erschienen. Er ist gar nicht der Chef, wie sich später herausstellt, aber ein engagierter Mitarbeiter namens Andras, dessen Hauptaufgabe in den nächsten Tagen die nervenaufreibende Lebenserhaltung unseres Generators sein wird. Strom und Wasser gibt es nämlich nicht.

Er führt uns zu einem Haus, welches noch nicht ganz fertig gestellt ist und welches ein bisschen entfernt vom Tierheim auf einer Wiese steht. Es ist bitterkalt und wir beäugen skeptisch den Heizgasofen in der hintersten Ecke. Das Equipment, welches vor wenigen Tagen mit dem Vereinssprinter hierher gebracht wurde, um auf dem Rückweg Hunde von hier nach Deutschland zu holen, steht überall auf dem Boden verteilt. Vier Räume, die durch noch nicht vorhandene Türen voneinander getrennt sein möchten, stehen uns zur Verfügung. Leider hinterlässt das Equipment einige Lücken, da es von Bruno Pet selber und nicht von uns bestellt wurde. Erfreulicherweise steht aber urplötzlich der Veterinär, der das Tierheim sporadisch betreut in der Tür und bietet uns an, all das zu besorgen, was fehlt. Unglaublich, in Griechenland droht man uns mit Verhaftung und hier bietet uns Dr. Barna seine Hilfe an, immer mal wieder bemerkend, dass er auch „"very fast"“ operiert.

Die Temperatur hat so langsam schlappe 12 Grad erreicht und wir „bestellen“ den ersten Hund. Es ist ein Kryptorchide, was nichts anderes bedeutet, als dass es ein Rüde ist, dessen Hoden in der Embryonalentwicklung nicht beide aus dem BAuchraum abgestiegen sind, sondern dass sich einer noch in der Bauchhöhle befindet. Gerade als Ines um Licht bittet, um in der Bauchhöhle den verlorenen Sohn zu finden, versagt der Generator zum ersten Mal seinen Dienst. Seine Krankheit ist nicht zu heilen und so versichert man uns, dass er morgen um 10:00 Uhr vom „Service“ zurück ist und dann funktioniert. Das nützt Ines bei dieser OP reichlich wenig, aber wir sind mit Taschenlampen auf so etwas vorbereitet. Die Gasheizung gibt inzwischen auch spuckende Töne von sich. Da es draußen empfindlich kalt ist und die zaghafte Frühlingssonne nicht wirklich die Erde erwärmt, entscheiden wir uns, zu Beginn der einbrechenden Dunkelheit die Operationen einzustellen.

12 Tiere sind am Abend kastriert, ein Minusrekord für unser Team. Außerdem wurde die Stimmung gegen Mittag getrübt, als uns eine Hündin gebracht wurde, deren Bauch von offenen Brusttumoren übersät ist. Die Dinger streuen auch bereits in zwei Lymphknoten und wir entscheiden uns zu dritt für die Euthanasie. Erinnerungen an Kira werden wach, einer super lieben Hündin aus Barcelona, die bei uns zu Hause ihrem schleichenden Knochenkrebsende entgegenblickte. Nach drei Monaten erlösten wir sie und drei Tierärzte heulten damals um die Wette. Das passiert heute nicht, obwohl vor unserem OP-Fenster die Gesichter der Arbeiter länger geworden sind. Gefühle gegen eine solide medizinische Entscheidung versuchen wir alle drei zu unterdrücken und fahren mit einem geschwollenen Hals in unsere Pension. Hier schließen wir unseren Sterilisator an, denn der Strom im OP-Haus hatte ja frühzeitig Feierabend gemacht. Am nächsten Morgen warten wir sehnsüchtig auf den Generator, aber er wird erst gegen 12:00 Uhr vom Service als geheilt erlassen. So glauben wir. Obwohl wir alle Tiere per Hand rasieren müssen, liegen wir gut in der Zeit. 150 Hündinnen und 80 Rüden warten bei diesem Einsatz auf ihre Kastration. So glauben wir

Nach ca. 20 Hunden höre ich zum ersten Mal von einem der Arbeiter das Wort „horrop“. Es bedeutet auf Ungarisch „gefährlich und bissig“. In dieser rumänischen Region sprechen viele Menschen ungarisch, so auch unsere Arbeiter. Ich folge Josef, unserem engagierten Helfer, zu einem Zwinger, in dem ein Hund sitzt, dessen Beschwichtigungssignale noch nie jemand wahrgenommen hat. Er besteht ausschließlich aus Angst und der ganze Körper zittert. Ich setzte mich in seine Nähe und versuche all das zu machen, was ihn beruhigt. Es gelingt. Sein Blick huscht immer zwischen mir und den Arbeitern hin und her, aber als ich Körperkontakt zu ihm aufnehme, lässt er es zuckend zu. Das Knurren und Fletschen hat er eingestellt. Nach 20 Minuten trage ich den Hund auf meinen Armen aus dem Zwinger. Die Arbeiter verfolgen mich mit den Augen wie einen Mondmenschen.

Im Laufe der nächsten Woche werde ich ca. 60 Mal das Wort horrop hören. Bis auf mein Ohrläppchen und meinen Daumen bleibe ich unverletzt. Ines näht alles wieder zusammen - glauben Sie nicht, dass ich eine Narkose kriege! Keiner der Hunde ist wirklich bissig oder aggressiv, sie haben einfach nur höllische Angst vor den Arbeitern. Josef versuche ich beizubringen, dass ein bisschen mehr Zeit und eine nicht bedrängende Annäherung schneller zum Erfolg führen. Josef gefällt mir. Carina ist inzwischen zu einer nicht mehr wegzudenkenden Hilfe geworden. Da sie, seitdem sie 13 Jahre alt ist, jede freie Minute im Tierschutz verbracht hat und auch die Tierärztepoolärzte zu so manchen Einsätzen begleitete, darf sie die Rüden zunähen. Erfahrungen mit Nadel und Faden sammelte sie bereits mit 14 Jahren. Ihr Geschick ist unglaublich. Unter der strengen Aufsicht von Ines kastriert sie am Abend ihren ersten Rüden. Hut ab - sie liefert eine perfekte Operation.

Wir schaffen an diesem Tag 30 Hunde. Ines, unsere „Nähmaschine“ ist warmgelaufen. Da wir die Tiere auch chippen und mit zwei Fotos katalogisieren, und ständig Dinge anfallen, die den Rhythmus stören, lässt sich Ines Kastrationsrekord bei einer Hündin von sage und schreibe 10 Minuten und 50 Sekunden unmöglich hochrechnen. Außerdem verlaufen nicht alle Operationen lehrbuchmäßig und bei fast jedem Tier sind gleichzeitig auch noch andere Dinge zu tun, oftmals auch andere Operationen. Einem Hund entfernten wir heute beispielsweise ein zerstörtes Auge, beziehungsweise die Überbleibsel. Nabelbrüche, Leistenbrüche, Zahnsanierungen, Gesäugetumore, Papillome etc. verzögern unsere Arbeit, aber diese Dinge sind in unseren Augen genauso wichtig wie die Kastrationen und werden mit behoben. Der einzige, der nicht arbeitet ist - na raten Sie mal - der Generator. Zumindest nicht durchgehend.

Dr. Barna erscheint im Laufe der Woche immer mal wieder und bringt uns fehlende oder zur Neige gehende Medikamente. Je öfter er Ines über die Schulter schaut, desto seltener hören wir „"very fast"“ von ihm, bis er gegen Ende unserer Zeit völlig verstummt ist. Das Tierheim ist uns inzwischen bereits ein bisschen ans Herz gewachsen. Alles ist, im Vergleich zu dem was Sie, liebe Tierfreunde kennen, eine Katastrophe, aber wie vieles im Leben ist auch das relativ. Doch bevor wir den Mund öffnen und über die schlimmen Zustände der Hunde schimpfen, widmen wir uns der Müllkippe, die keine 100 Meter neben uns vor sich her stinkt. Am Rande, wenige Schritte hinter dem Tierheim, gibt es zwei Häuser, deren Baumaterial ausschließlich aus der Müllkippe zu stammen scheint. Hier leben Zigeuner, die die Plastikflaschen aus dem Unrat sammeln, um zumindest ein bisschen Geld zu verdienen. Sie haben nichts! Die beiden Häuser bestehen aus Brettern, Folien, Pappe. Wie wir hören, erfrieren in den Wintermonaten, in denen die Temperaturen leicht die 25 Grad minus erreichen können, immer mal wieder Menschen. Zigeuner sind hier nicht beliebt und ehrlich gesagt, große Unterschiede zu der Tierhaltung sind wirklich nicht zu erkennen.

Einen Nachmittag steige ich hinab auf den Grund der Kippe. Es stinkt weniger, als ich erwartet hatte. Ich bin allein und schleiche um die großen Säcke, in denen sich die Plastikflaschen befinden. Plötzlich stehe ich vor einem Hund, der an einem Stück verwesendem Fell kaut. Er hat mich offensichtlich nicht bemerkt. Erst als ich ihn anspreche, fängt er an zu kläffen und plötzlich lebt die Müllkippe. Überall stehen Hunde auf und beteiligen sich an dem Gekläffe. Nur der auf dem ich stehe, bewegt sich nicht mehr. Er ist tot und platt gefahren, ebenso die Ratten, die hier überall herumliegen. Ich hatte ihn gar nicht gesehen, denn in diesem Dreck sieht alles gleich aus. "„Busch, wo treibst Du Dich bloß wieder rum"“, denke ich als ein kleiner LKW oben an der Schranke hält und kaum das sie geöffnet hat zu mir heruntergefahren kommt. In diesem Moment laufen auch drei Jugendliche den Hang hinunter auf mich zu, aber dann doch mehr an mir vorbei in Richtung LKW. Es scheint so, als dass sie die ersten an der neuen Lieferung sein wollen. Einer winkt mir zu, Fotos zu machen, wie sie den Inhalt nach Brauchbarem durchsuchen. Ein anderer scheint mit dieser Idee nicht einverstanden zu sein und verlangt Geld.

So langsam fühle ich mich nicht mehr wohl, deute in Richtung Tierheim und mache mich schleunigst auf den Rückweg. Hier fühlte ich mich zum zweiten Mal wie ein Mondmensch und wahrscheinlich sah ich sogar so aus. Über 20 Hunde zähle ich in den nächsten Tagen in dieser Müllkippe, sie einzufangen dürfte utopisch sein. Hier ein Blasrohr oder eine Hundefalle aufzutreiben, wäre genauso schwierig wie im Winter plus 30 Grad zu erwarten. Außerdem ist unser Pensum im Tierheim abzuarbeiten. Die hier sind vielleicht beim nächsten Mal dran. Nun gehe ich entspannt durchs Tierheim. So schrecklich ist es gar nicht. Es ist eben alles, wie ich bereits sagte, relativ. Einige Tiere erkenne ich wieder. Sie waren zum Teil Ex-Horrops, die sich offensichtlich auch an mich erinnern können. Manche signalisieren mir, dass sie nicht abgeneigt wären, eine engere Freundschaft einzugehen. Ich spreche mit Eva, sie ist eine der Vorsitzenden des rumänischen Vereins und versuche ihr klar zu machen, dass die Schmuseeinheiten bei den zutraulichen Hunden bestimmt nett gemeint sind, aber dass, gerade auf einen eventuellen Wechsel nach Deutschland, mit den ängstlichen Tieren gearbeitet werden muss.

Ich wette, dass sich mit manchen Hunden, seitdem sie hier sind, noch nie jemand beschäftigt hat. Allen Hunden sind nach der OP die Hütten dick mit Heu eingestreut worden und so hat sich kein Tier eine Erkältung oder Unterkühlung nach der Kastration zugezogen. Mit der Fütterung bin ich nicht einverstanden. Viele Hunde sind zu fett, was genauso schlecht ist, wie abgemagerte Tiere. Da das Geld für eine ausschließliche Fütterung von Fertigfutter nicht ausreicht, wird Trockenfutter mit einer Pampe aus Essensresten gestreckt, die das städtische Gefängnis kostenlos zur Verfügung stellt. Über Inhalte dieser Nahrung lasse ich mich nicht aus, äußere aber meinen Unmut über die Fütterung von Knochen. Das Wissen über Hundehaltung bewegt sich weit unter dem Minimum. Einige Nasen drücken sich an die Zäune. Ich will sie gar nicht wahrnehmen, sie sollen Nummern bleiben. Auch Carina weiß bescheid: Verlieben ist strengstens verboten. Sie versucht sich genauso daran zu halten wie wir alle, aber dann passiert das Vorausgeahnte und das Unheil beginnt.

Ein Welpe wird zu uns gebracht. Er frisst nicht mehr und ist ausgetrocknet. Unserer kleinen Babytierärztin müssen wir nicht groß erklären, was es zu tun gibt und ruck-zuck hängt der Zwerg am Tropf. Und ich wette, dass in ganz Rumänien noch nie ein Hund so weich gelegen hat, wie dieser Welpe.Das Unheil nimmt seinen Lauf. Es werden weitere vier Welpen gebracht, die ähnlich schlecht drauf sind und zuzüglich auch noch Augenausfluss haben. Jetzt heißt es stark sein, aber mit 16 Jahren? Auch die vier bekommen eine 5-Sterne-Bettung und Versorgung und Ines und ich gucken uns hilflos an. Ines spricht mit Carina und ganz tapfer hört sie sich an, dass die Chancen ihrer kleinen Welpenschar relativ gering sind. "„Ich weiß", nickt sie. Zwei Tage kämpft Carina tapfer einen verzweifelten Kampf.

Als uns am nächsten Morgen ein Hund gebracht wird, der vor Kraftlosigkeit fast tot ist, werde ich sauer. Warum hat man uns das Tier nicht schon eher gebracht? Josef beteuert seine Unschuld und lässt uns übersetzten, dass er mir das vor einigen Tagen bereits gesagt hat. Na toll, seit wann spreche ich rumänisch? Scheiße. Wir erlösen den Hund. Und da ich mit den Verantwortlichen bereits ein ernstes Gespräch über das Beerdigen der toten Hunde auf dem Gelände führte, wird heute ein Feuer angezündet. Tote Hunde zu beerdigen ist in Anbetracht der Seuchen, die hier herrschen, ein Unding. „Geht gar nicht“ wie man so schön sagt. Als es richtig heiß lodert, kommt Ines hinzu und gibt mir zu verstehen, dass noch zwei Welpen folgen werden. Carina ist einverstanden, so erfahren ist sie nun doch schon und versteht, dass diese Kleinen nur noch leiden.

Drei sind aber fit und trösten ein bisschen. Ich erinnere mich an einen Hund, dessen Operation wir vor drei Tagen ablehnten, da er stark vereiterte Augen hatte. Als ich Josef bitte, mich zu dem Zwinger zu führen, wo dieser Hund ist, erwartet mich am Zaun ein mit den Zähnen klappernder und am Mund schäumender Hund, der seine Umwelt nicht mehr wahr zu nehmen scheint. Staupe, was sonst. Vor kurzem erkrankten hier 50 Tiere an Staupe und viele starben. Unsere Welpen und dieser sind hoffentlich die letzten, denn man hat inzwischen begonnen, die Tiere zu impfen. Ich schläfere ihn ein und gehe, hoffentlich, zum letzten Mal den Weg zu unserem neuen Krematorium. Das, was ich jetzt denke und wie ich meinen Beruf finde, erzähle ich nicht. Die Stimmung ist getrübt, niemand redet. Jeder versucht seinen Gedanken auszuweichen.

Plötzlich ein Narkosezwischenfall. Die Hündin, die Ines gerade auf dem Tisch hat, hört auf zu atmen. Aber jeder, der Ines kennt, weiß, dass es verdammt schwer ist zu sterben, wenn sie in der Nähe ist. So fliegen die Handgriffe und das Leben des Tieres ist gerettet. Manche Tage haben es in sich...
Sechs Tage lang haben wir Vollgas gegeben und nicht eher aufgehört, bis täglich 30 kastriert waren. 160 Tiere sind unfruchtbar und Josef erscheint mit der Nachricht, dass keine Rüden mehr unkastriert sind und auch nur noch sehr wenig Hündinnen. Unsere trübe Laune ist wie weggeblasen, herrlich, dann können wir die restlichen Tage etwas ruhiger angehen lassen und uns um die Dinge kümmern, die ebenfalls wichtig sind. Leider ist unsere Freude genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen ist, denn wir stellen immer häufiger fest, dass keiner der Arbeiter einen Plan von den Hunden und deren Haltung hat. Es gibt Rudel, die uns als bereits kastriert verkauft wurden, aus dem einfachen Grund, weil keiner die Hunde anfassen kann.

Es dauert ewig, bis es mir und Josef gelingt, einen nach dem anderen in Narkose zu legen und dabei stellen wir fest, dass sich in diesen Rudeln Männlein und Weiblein tummeln. Auch Carina kommt immer wieder aus irgendwelchen Gehegen mit unkastrierten Tieren. Sie fängt sie am einfachsten, denn vor einer Frau haben die Tiere weit weniger Angst. Sie bleibt übrigens, bis auf ihren Unterarm, auch unverletzt.Eine riesige, ruhige bildhübsche Hündin hat ein Stickersarkom - Krebs in der Scheide. Wir operieren sie. Anschließend gast sie auf und Ines öffnet die Kastrationsnaht erneut um eine Magendrehung auszuschließen. Als sie wach wird trifft mich ihr Blick und wieder kommen Erinnerungen hoch. Was diese Tiere einstecken, ihrem Schicksal ergeben, es ist jedes Mal unglaublich. Wir können eine Pause gebrauchen und setzen uns um die aufwachende Hündin herum. So ein nettes Tier- ich wünsche sie mir beim nächsten Transport mit nach Deutschland, und wenn sie zu mir kommt.

Die Stickersarkom Operationen sind eine blutige Angelegenheit. Anschließend bekommt die Hündin eine Chemotherapie, bzw. drei. Jeden folgenden Tag finden wir zwischen 12 bis 16 Hunde, die noch nicht kastriert sind und am Ende fragen wir uns, ob uns nicht doch welche durch die Lappen gegangen sind. Die Geschlechtertrennung funktioniert hier nach dem Zufallsprinzip und Welpen sind das letzte, was man braucht. Eine nette Tierärztin aus dem Ort taucht auf und möchte unbedingt mit Ines operieren und ihre Methode lernen Unser Ende ist schon greifbar nah, als wir Josef fragen, ob er sich an der Vernichtung unseres „Penny“-Einkaufes beteiligen will. Gierig schlingt er alles in sich hinein. Wir denken uns unseren Teil, fahren am nächsten Morgen zu Penny und kaufen eine komplette Tüte mit kulinarischen Köstlichkeiten für ihn und seine Familie. Natürlich bleiben auch sämtliche Klamotten von uns hier und Josefs Augen leuchten auf. Ich denke an die Zigeuner in ihren Papphäusern, einen dünnen Josef und an den Überfluss in unserem Land. Vieles ist relativ.

Zweihundertsechzehn Tiere sind operiert. Wir sind physisch und psychisch ziemlich platt, haben aber unsere „Tiefs“ gut weggesteckt. Schlechte Stimmung innerhalb des Teams kam so gut wie nie auf. Carina war eine absolute Bereicherung und ohne sie wäre diese Zahl nicht erreicht worden!Auch sie hat wieder eine Lektion gelernt, denn als wir unsere Sachen zum letzten Mal packen, kommt bitterliches Schluchzen aus dem Raum, in dem auf einem wahnsinnigen Deckenstapel ein Welpe thront, der zwar das Gröbste überstanden hat, aber noch lange nicht über den Berg ist. Carina lässt ihn zurück, aber das ist eine Entscheidung gegen ihre Gefühle und ihr Mitleid. Es ist eine solide medizinische Entscheidung, die richtig ist, denn einen Welpen nach Deutschland zu schicken, der dort eventuell an Staupe sterben kann, ist unsinnig. Außerdem hat die Veterinärbehörde ein Ausfuhrverbot verhangen, da angeblich ein tollwutinfizierter Fuchs gefunden wurde.

Auch in den letzten Minuten, die eigentlich dem Abschied gewidmet sein sollten, bleibt keine Zeit für Trübsal. Ein Hund wird uns gebracht, der nach erster Vermutung seinen Bauch komplett mit Knochen gefüllt hat. Alles muss schnell gehen. Unsere bereits gepackten Kisten werden in Windeseile erneut ausgepackt, die Handgriffe fliegen. Ines hetzt Carina und mich durch die Kisten und wir ziehen, so schnell wir können, die Notfallmedikamente auf. Ines hat inzwischen bereits den Bauch des Hundes eröffnet und flucht, dass sich die Balken biegen. Ein übler fauliger Geruch breitet sich im OP aus. Immer wieder gleitet ihre Hand in den Bauch und räumt Knochen aus, die sie vor Wut gegen die Wand schmeißt. Wir erlauben es, denn irgendwann müssen auch ihre Gefühle mal raus. Die Magenschleimhaut ist schwarz, fast abgestorben. Wir rufen einen erfahrenen Kollegen in Deutschland an, ob er noch eine Idee hat, aber der Hund ist nicht mehr zu retten. Zwei Mal können wir ihn am Hinübergleiten hindern, ein drittes Mal lassen wir ihn gehen. Ich spritze das restliche Adrenalin in den stinkenden Haufen Knochen.

Bei dem anschließenden Gespräch nehme ich kein Blatt vor den Mund. Immer wieder werden wir in Tierheime gerufen, die mit einer Anzahl von 300 Tieren noch zu den kleineren gehören. Die Tierheime quellen über, nichts funktioniert, vom nichtvorhandenen Geld einmal ganz zu schweigen. Aber trotzdem nehmen die tierlieben Verantwortlichen immer wieder Hunde auf, weil sie sonst auf der Straße sterben. Ich bin stinksauer. Zählen denn nur die Toten auf der Straße? Sind immer nur die Stadtverwaltungen die Bösen, die Hundefänger oder die Tierärzte mit der Todesspritze? Wer zählt denn die Toten im Tierheim? Wer zählt die, die qualvoll an Staupe oder an Parvo sterben? Sie sterben einen teilweise wochenlangen Todeskampf. Von der Gefahr für die anderen Tiere einmal ganz abgesehen.

Tierheime, die an ihrer Aufnahmegrenze arbeiten oder darüber, haben KEINEN einzigen Hund von draußen mehr aufzunehmen, egal was mit ihm passiert. An diesem Punkt haben Mitleid und Gefühle NICHTS mit einem soliden Tierschutz zu tun. Hätte man mehr Geld für anständiges Futter, wäre der Hund an den verfluchten Knochen nicht gestorben. So, sorry, aber das musste mal raus. Es gibt in diesem Tierheim noch unendlich viel zu tun und zu verbessern. Aber Bruno Pet geht den richtigen Weg und hat auch schon viel geschafft. Sie arbeiten noch nicht lange mit diesem Tierheim zusammen, haben aber verstanden, dass die medizinische Versorgung der erste und wichtigste Schritt ist, um das Tierheim auf den richtigen Weg zu bringen. Dazu gehören die zweimalige Impfung im Abstand von 3-4 Wochen, das Chippen und die Kastration. Dann folgt die Fütterung und zuletzt der Komfort in Form von verbesserten Zwingern, Hütten, Zäunen, Rudelzusammensetzung. Erst wenn diese Dinge erreicht sind, darf sich das Herz wieder melden und dem Neuling, der Hilfe benötigt, die Tür öffnen.

Der Tierärztepool ist glücklich, an diesen Verbesserungen mitarbeiten zu dürfen und ist sich sicher, dass viele Anregungen befolgt werden. Die Hunde und die Arbeiter sind uns ans Herz gewachsen und wir wünschen uns, dass Bruno Pet von Ihnen, meine lieben Tierfreunde, die entsprechende Unterstützung erhält, um weiterhin einen soliden Tierschutz betreiben zu können, um ihn am Ende sogar mit Gefühlen, Mitleid und Herz füllen zu dürfen. Ob das am Anfang meines Berichtes benutzte Zitat zutrifft oder nicht, überlasse ich Ihnen.
Ihr Thomas Busch

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