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Rumänien Oktober 2011

Ein Bericht von Nina Schöllhorn | Tierärztin

Die regelmäßigen Kastrationseinsätze in Rumänien sind inzwischen zum festen Bestandteil unserer praktischen Tierschutzarbeit geworden. Da uns gerade bei diesen Einsätzen besonders viel abverlangt wird, bin ich sehr erleichtert, dass sich dieses Mal Carina Bercht bereiterklärt hat, mich zu begleiten. Sie steht uns Tierärzten des Tierärztepools seit langen Jahren zur Seite und ist wirklich sturmerprobt. Inzwischen ist sie aus unserem Team nicht mehr weg zu denken und wird ihre Ausbildung zur Tierarzthelferin bei uns abschließen. Carina und ich sind gespannt was uns diesmal erwarten wird und freuen uns auf die gemeinsame Zeit. Das mulmige Gefühl in uns versuchen wir beiseite zu schieben. Auch Carina war über drei Jahre zuvor schon in Rumänien und hat leider nicht die besten Erinnerungen zurück behalten.

Die graue Hündin schaut mich unverwandt an. Noch nie zuvor bin ich einem solchen Blick bei einem Hund begegnet. Ich würde von mir behaupten, dass ich über die Fähigkeit verfüge, sehr gut mit Hunden kommunizieren zu können. Doch diese Hündin spricht nicht mit mir. Ihre Seele ist tot.

Brasov

Unsere erste Station heißt Brasov. Hier, im Tierheim des BMT- Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V.,  sollen wir mehrere Tage den Tierheimtierarzt Dr. Ciprian Cocianu unterstützen. Hier gibt es aus aktuellem Anlass gerade besonders viel zu tun. Dem BMT ist es nämlich am 01. August 2011 in Zusammenarbeit mit Cristina Lapis und Millions of Friends nach langem Kampf gelungen, die städtische Tötungsanlage Stupin zu übernehmen. 30.000 Hunde hatten dort über die Jahre hinweg ein grausames Ende gefunden. Dem konnte nun endlich ein Ende bereitet werden. Die sich noch dort befindenden über 300 Hunde wurden auch dem BMT unterstellt. Dementsprechend viele Hunde warteten noch darauf kastriert zu werden.  Zudem ist Tierarzt Bogdan aus Targu Mures angereist, um uns über die Schulter zu schauen. Er ist seit kurzem Tierarzt des städtischen Tierheims dort und möchte seine chirurgischen Fähigkeiten verbessern. Es entwickelt sich schnell ein sehr nettes Verhältnis zwischen uns. Leider können wir seiner Einladung nach Targu Mures, um sein Tierheim zu besichtigen, aus zeitlichen Gründen nicht nachkommen. Dies wird jedoch mit Sicherheit nachgeholt werden. 

 

Dr. Ciprian Cocianu und seine Mitarbeiter haben die Lage im Tierheim gut im Griff, auch wenn sie täglich ein sehr großes Arbeitspensum bewältigen müssen. Es werden nicht nur viele hundert Hunde betreut, sondern auch täglich Privattiere kastriert, die von der bedürftigen Bevölkerung gebracht werden. Was der BMT hier leistet ist immens. Vor allem vor der politischen Tierschutzarbeit habe ich größten Respekt. So wurde nicht nur die Übernahme der Tötungsstation erreicht, sondern in diesem Rahmen auch eine Kennzeichnungspflicht per Mikrochip, sowie eine Kastrationspflicht für Privattiere eingeführt. Ich hoffe nur, dass diese Entwicklung weite Kreise ziehen wird.

Sighisoara

Nach drei Tagen bittet uns Petra Zipp vom BMT in das etwa eine Stunde entfernte Sighisoara zu fahren. Dort würde man ganz dringend unsere Hilfe benötigen. Gesagt, getan. Kaum angekommen werden wir über die Gegebenheiten vor Ort informiert: Hier gibt es ein privates Tierheim, das von der Tierschützerin Monica Fernengel geleitet wird, der dazugehörige Verein heißt ADA. Da es dort keine Räumlichkeiten gibt um zu operieren, werden wir in die städtische Hundeauffangstation gebeten. Der zuständige Tierarzt hat uns seine Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Wir richten uns also in dem bescheidenen, winzigen Raum ein und müssen schlucken. So beengt und unter so unangenehmen Bedingungen mussten wir noch nie arbeiten.  Doch es kommt schlimmer.

Wir betreten die "Zwingeranlage" und sind sprachlos. Sowohl Carina, als auch ich, sind durch unsere zahllosen Auslandseinsätze an den verschiedensten Brennpunkten dieser Welt wirklich einiges gewöhnt. Wir kennen die verschiedensten Gesichter von Elend. Doch das hier ist unerträglich. Es handelt sich um ca. 15 Hunde, die in winzigen, baufälligen Zwingern untergebracht sind. Es gibt keinen ausreichenden Schutz vor Kälte, keine richtigen Hütten, keine Decken. Doch das allerschlimmste ist der völlig verdreckte Zustand der Zwinger. Noch nie zuvor sind mir Hunde begegnet, die wie diese gezwungen waren, in ihren eigenen Exkrementen zu liegen. Die ängstlichen Blicke, die Stille- ein Ort des Grauens. In einem Moment wie diesem, in dem man völlig unverhofft in einer solchen Situation landet, scheint das menschliche Gehirn tatsächlich überfordert. Normalerweise bin ich stets sehr praktisch orientiert und sehe für jedes Problem ziemlich schnell eine mögliche Lösung. Doch hier stehen Carina und ich regungslos in Mitten dieses unfassbaren Schauplatzes. Wir sehen uns an und da fließen sie, Sturzbäche an Tränen.

 

Wir arbeiten die nächsten beiden Tage in unmittelbarer Nähe zu diesen Hunden. Diese Tatsache nimmt uns des Öfteren die Luft zu atmen. Wir arbeiten automatisiert und machen unseren üblichen Job. Doch in unseren Köpfen kreisen die Gedanken. Wir wollen so viele Tiere wie möglich kastrieren, wir wollen um jeden Preis verhindern, dass neue Hunde hier landen. Jedes Leben, dem dieser Ort erspart wird, ist unseren ganzen Einsatz wert.  Da ist sie plötzlich an der Reihe. Eine große graue Hündin. Sie liegt auf einer viel zu kleinen Hütte. Sie klebt förmlich fest in einer zentimeterdicken Schicht aus Kot und Urin. Dünnflüssiger Kot läuft aus ihrem After. Sie ist bis auf die Knochen abgemagert. Ihr Fell ist schütter. Sie hat einen kleinen Welpen- wie man uns mitteilt der letzte Überlebende von neun. Da sie außer Stande ist, sich um ihn zu kümmern, ist dieser durch eine Lücke im Zaun geschlüpft, um Zuflucht bei einer kleinen Hündin zu suchen. Die graue Hündin schaut mich unverwandt an. Noch nie zuvor bin ich einem solchen Blick bei einem Hund begegnet. Ich würde von mir behaupten, dass ich über die Fähigkeit verfüge, sehr gut mit Hunden kommunizieren zu können. Doch diese Hündin spricht nicht mit mir. Ihre Seele ist tot. Ich kann also nicht einschätzen, ob ich gleich bei dem Versuch die Hündin in Narkose zu legen, meine Hand verlieren werde. Doch alles geht gut. Als sie narkotisiert vor uns liegt wird das ganze Ausmaß des Verbrechens, das an diesem Hund verübt wurde, deutlich. Ihre gesamte Haut weist Verätzungen durch Kot und Urin auf, das Fell lässt sich abziehen. Alle Pfoten sind hochgradig entzündet. Der Gestank, der von ihr ausgeht, brennt sich in unsere Atemwege. Dieser Hund befindet sich in Auflösung- bei lebendigem Leibe. Unter gar keinen Umständen werde ich zulassen, dass dieser Hund nach der Kastration wieder in dieses Loch zurück kommt. Monica erkennt den Ernst der Lage und erklärt sich bereit, die Hündin mit ihrem Welpen in ihrem eigenen Tierheim aufzunehmen. Ich rechne dies Monica hoch an, denn sie selbst hat mit der Überfüllung ihres eigenen Tierheimes zu kämpfen. 

Wir besuchen dieses Tierheim am nächsten Morgen, da Monica uns gebeten hat, einige gesundheitliche Probleme dort zu beurteilen. Es ist offensichtlich, dass sie mit fast übermenschlichem Einsatz dort für die Hunde kämpft, unterstützt von nur einem Tierpfleger. Auch sie ist zutiefst betroffen über die Zustände in dem Städtischen Auffanglager, da aber ihre eigenen Kapazitäten bereits weit überschritten sind, kann sie keine weiteren Hunde aufnehmen. Wir verlassen am selben Abend Sighisoara. Wir beide sind niedergeschlagen und schockiert. Unser einziger Trost sitzt in unserem Kofferraum. Es ist die kleine Hündin Maana. Es war mir nicht möglich, diesen Ort zu verlassen ohne wenigstens ein Leben in Sicherheit zu wissen. Es ist die kleine Hündin, die sich des schutzlosen Welpen der grauen Hündin angenommen hatte. Maana bedeutet "Sinn". Es soll einen Sinn gehabt haben, dass wir auf diesen Ort gestoßen sind. Wir werden im April wiederkommen und das Kastrationsprojekt fortsetzen. Darüber hinaus haben sich inzwischen verschiedene Menschen zusammengeschlossen, um die Zuständen vor Ort zu verbessern. Kein einfaches Vorhaben, aber ich bin sicher, dass BMT und der Freundeskreis BrunoPet e.V. gemeinsam Wege finden werden.

Miercurea Ciuc

Mit Erleichterung erreichen wir Miercurea Ciuc. Diese Aussage wäre vor einiger Zeit noch undenkbar gewesen. Belasteten die Eindrücke bei jedem Einsatz dort doch sehr. Doch es hat sich hier dank des hartnäckigen, unerschrockenen Einsatzes vom Freundeskreis BrunoPet e.V. unglaublich viel verbessert. So können wir entspannt durch die Zwingerreihen gehen. Meli, die ich seit meinem ersten Aufenthalt dort kenne, zeigt mir stolz alle Veränderungen. Es gibt allen Grund stolz zu sein. Carina kann kaum ihren Augen trauen, was sich seit ihrem letzten Besuch vor über drei Jahren alles geändert hat.    Die Kastrationsaktion beginnt. Inzwischen läuft alles sehr routiniert ab. Wir haben sogar eine Rezeption, an der Gabi die ankommenden Tiere aufnimmt und nach der Kastration wieder an die Menschen zurück gibt, natürlich nicht, ohne vorher genaue Anweisungen zur Nachsorge zu erteilen.  Meli liest uns jeden Wunsch von den Lippen ab und Joska schleppt von früh bis spät Hunde. Natürlich darf auch Loredana nicht fehlen, die wie immer fleißig Straßenhunde fängt. Alles wie immer- ich fühle mich zuhause! 

Tibi, der rumänische Tierarzt des Tierheims, freut sich wie immer über unsere Unterstützung und ist dankbar für jeden Ratschlag. Es hat sich ein tolles, freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Die Tage sind gefüllt mit Kastrationen, aber wie immer soll natürlich auch kein medizinisches Problem eines Tierheimhundes übersehen werden. Leider treffen während unseres Einsatzes auch immer wieder die Hundefänger ein, die eine neue Ladung Hunde bringen. Dies wirft uns doch immer wieder jäh auf den Boden der Tatsachen zurück. Denn ganz sicher ist das das letzte, was ein Tierheim mit 350 Hunden braucht. Auch wenn sich noch so viel im Tierheim verbessert hat, ein Tierheim ist nie eine Lösung. Weder für die Problematik der Straßentiere, noch für den einzelnen Hund. Denn jeder Hund braucht ein Zuhause. Doch es tut sich was, denn die vielen Hunde und Katzen, die uns zur Kastration gebracht werden, zeigen, dass die Akzeptanz unter der Bevölkerung zunimmt. Bei jedem einzelnen kastrierten Tier halten wir uns vor Augen, wie vielen Lebewesen wir dadurch ein unwürdiges Leben ersparen, aber auch wie sehr wir die Lebensqualität des betroffenen Tieres dadurch verbessern können. 

 

Georgheni

Zum zweiten Mal machen wir uns dank der Unterstützung von Bruno Pet auf nach Gheorgheni. Dort wird jede Hilfe dringend benötigt, da Tierschutz dort tatsächlich Neuland zu sein scheint. Wir werden  daher sehr herzlich von Zsoka, Eva und Agotha empfangen. Wir arbeiten für einige Tage direkt im Tierheim, wie schon beim letzten Mal. Es gibt sehr viele neue Hunde im Tierheim, die zur Kastration anstehen, leider aber auch mehrere Verletzungen, vor allem durch Beissereien, die versorgt werden müssen. Der Bestand dieses Tierheimes ist seit dem letzten Mal stark gewachsen, was uns sehr beunruhigt. Es scheint sich als bequeme Entsorgungsstation für überzähligen Nachwuchs oder auf sonstige Art lästig gewordene Hunde herum gesprochen zu haben. Auf der anderen Seite aber kommen sehr viele Privatleute mit ihren Tieren. Zsoka und Eva hatten sehr gute Vorarbeit geleistet und die Aktion bereits in Fernsehen und Zeitung ankündigen lassen. Einen Tag arbeiten wir schließlich in einem nahegelegenen Dorf, wo uns freundlicherweise der ansässige Tierarzt seine Praxis zur Verfügung stelltWir freuen uns sehr über den Zulauf aus der Bevölkerung und ich bin mir sicher, dass das Kastrationsprojekt hier noch weiter ausgebaut werden kann. Dringender Bedarf besteht, denn besonders in Gheorgheni begegnet man einer unglaublich hohen Anzahl an Straßentieren. Leider sind hier die finanziellen Möglichkeiten mehr als beschränkt, so dass dieser Einsatz ohne Bruno Pet niemals möglich gewesen wäre. Je länger ich in Rumänien tätig bin, desto klarer wird mir, dass wir unsere Sicht der Dinge anpassen müssen. Wir können nicht mit der Tür ins Haus fallen und erwarten, dass sich von heute auf morgen alles ändert. Dieses Land hinkt Deutschland 100 Jahre hinterher, beileibe nicht nur in Sachen Tierschutz. Wir müssen daher einen Weg finden, mit den öffentlichen Stellen zusammenzuarbeiten, wir müssen uns Akzeptanz erarbeiten. Dies alles kostet viel Kraft, und auch schwere Tiefschläge müssen verkraftet werden. Doch wir sollten uns immer an den vielen Erfolgen festhalten, die wir gemeinsam erreichen, auch an den noch so kleinen. Bei dieser Aktion konnten 294 Tiere kastriert werden und 36 weitere, dringend notwendige Operationen durchgeführt werden- wie ich finde ein großer Erfolg!In diesem Sinne freue ich mich auf den nächsten Einsatz im April. Miercurea Ciuc, Gheorgheni und Sighisoara warten schon auf uns. Ihre Nina Schöllhorn

Aktuell

Am 22. November 2011 wurde vom rumänischen Parlament trotz monatelanger europaweiter Proteste ein Gesetz beschlossen, das die Massentötung von Hunden wieder legalisieren soll. Es stellt den Gemeinden frei, wie sie mit Straßenhunden verfahren wollen. Dies öffnet erneuten Massentötungen die Tore. Dieses Gesetz ist auch aus europapolitischer Sicht ein Skandal, da es klar dem im Lissaboner Vertrag verankerten Tierschutzprinzip (Art. 13 VAEU) widerspricht, in dem festgelegt ist, dass "alle Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung" tragen müssen. Darüberhinaus wird dieses Gesetz in keinster Weise zu einer Verringerung der Anzahl von streunenden Hunden führen.Auf Grund einer auf diesen Beschluss hin folgenden Protestwelle, wurde die Ratifizierung des Gesetzes auf den 11 Januar 2012 verschoben. Die Zukunft der Straßentiere bleibt also weiter ungewiss. Umso wichtiger wird nun das Aufzeigen der Alternative, der einzigen Methode, die die Zahl der Straßentiere auf Dauer zu senken vermag: Die Kastration der Straßen-, vor allem aber auch der Privathunde!

Diese Aktion wurde finanziert durch:Bund gegen Missbrauch der Tiere e.V. (bmt):  Viktor-Scheffel-Str. 15  80803 München  www.bmt-tierschutz.deUndFreundeskreis Bruno Pet e.V.: Hessenring 20 64832 Babenhausen www.freundeskreis-bp.de

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!

Jetzt spenden!

In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de