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Kapverden

Eindrücke einer erfahrenen Kollegin

Ein Bericht von Valentina Schuster, Tierärztin

„Am besten, du fliegst mal auf die Kapverden und lernst da Marga kennen, dann sehn wir ja, ob du zu uns passt...“
Gesagt - getan, denn die Chance den Tierärztepool und seine Arbeit kennenzulernen und zu unterstützen, wollte ich mir nicht entgehen lassen. Schnell war das Visum beantragt und der Flug gebucht, erstmal nur ein Hinflug.
Dass es zwischen Marga und mir fachlich sowie menschlich gut passt, haben wir glaube ich ziemlich schnell gemerkt und so starteten wir kurz nach meiner Ankunft auf Sal auch schon zu Kastrationskampagnen auf benachbarte kapverdische Inseln.

Praia

Um den in der Hauptstadt Praia aktiven Tierschutzverein „Bons Amigos“ zu unterstützen reisten wir auf die Hauptinsel Santiago, Margas kleine Mischlingshündin „Emmi“ immer im Handgepäck dabei.
Die „Bons Amigos“ betreiben dort mit einem tollen Team eine Tierklinik und führen regelmäßig und in großem Umfang Kastrationskampagnen durch, wobei sie schon oftmals vom Tierärztepool unterstützt wurden.
Gleich bei unserer Ankunft fiel mir die deutlich größere Anzahl der Straßentiere im Vergleich zu Sal auf, viele von ihnen mager und viele mit großem, hängendem Gesäuge.
Eine Tierpopulation in einer Stadt mit 140 tausend Einwohnern, einer eher mittelmäßig gut funktionierenden Abfallwirtschaft und unzählbaren Verschlägen und Rückzugsmöglichkeiten zu kontrollieren ist ein großer Vorsatz, der viel Zeit, Geld, Passion und eine gute Strategie verlangt.
Der Einsatz fand in einem Bezirk statt, in dem vor einigen Jahren das letzte Mal eine Kastrationsaktion durchgeführt wurde, dementsprechend groß war der Planungsaufwand für unsere Helfer und Dank guter Aufklärungsarbeit auch der Andrang.

Und so kastrierten wir knappe zwei Wochen durch, bei gefühlten 35 Grad, stehender Luft und konstant rinnendem Schweiß. Durch das routinierte Team und die gute Vorbereitung verliefen die Operationstage reibungslos, wobei sich uns leider auch etliche schlimme Bilder zeigten: eine abgemagerte Mutterhündin mit neun säugenden Welpen, blasse, schlappe Junghunde, die von all den Zecken am kleinen Körper komplett ausgesaugt zu sein schienen, Tiere, denen Räudemilben und Flöhe so zugesetzt hatten, dass sie sich blutig bissen oder kratzten - um nur ein paar wenige zu nennen. An einem Tag wurden uns käfigeweise Hunde gebracht, die man auf dem Grundstück eines so genannten „Animal Hoarder´s“ aufgegriffen hatte, allesamt in einem erbärmlichen Zustand. Ich kann mich nicht mehr genau an die Anzahl erinnern, aber wir waren fast den ganzen Tag nur mit der Kastration all dieser Tiere beschäftigt!

Es ist leicht, sich bei einer Kastrationskampagne auf‘s Operieren zu konzentrieren, darin haben wir ja Erfahrung, die Handgriffe sitzen, Hitze, Hunger und Rückenschmerzen können ausgeblendet werden. Was aber ist mit dem Gefühl, dass jedes einzelne dieser Tiere eigentlich noch mehr Hilfe gebraucht hätte? Einen Kontrolltermin für die Kastrationswunde, eine zweite und eine dritte Behandlung gegen die lästigen Parasiten, Medikamente gegen die Erlichiose, eine Schutzimpfung für die Welpen gegen Parvovirose und Staupe...

Um wirklich langfristig eine Veränderung zu bewirken sind wir auch darauf angewiesen, dass die Menschen, die sich Tiere in ihrem Umfeld halten, lernen mehr und mehr Verantwortung für sie zu übernehmen. Zu akzeptieren, dass die Kastration der Tiere zur Grundvoraussetzung gehört, ist der erste Schritt. Eigenständig Hilfe aufzusuchen, wenn ein Tier krank ist oder Schmerzen hat, käme gleich danach an zweiter Stelle, so weit sind wir aber noch nicht überall.

Umso wichtiger ist es, dass es vor Ort Menschen wie die „Bons Amigos“ gibt, die denen helfen können, die Hilfe suchen, die mit Engelszungen reden, erklären, begründen, unermüdlich schon Jahre lang.
Jeder Hund, der von uns kastriert wird, bekommt ein kleines Tattoo auf die Bauchunterseite, „NL“ was für „New Life“ steht. Jedes Mal, wenn ich eines dieser Tattoos setze hoffe ich, dass dieses Tier nun in seinem neuen Leben eine echte Chance bekommt und auf Menschen trifft, die sich kümmern und es schützen.

Brava

WOOOOOOOOOOOOW!!! war meine erste Reaktion auf die felsige Küste, die recht hoch gelegenen Bergdörfchen und grüne Vegetation dieser abgelegenen und touristisch eher unerschlossenen Insel. Und auch was wir sonst auf Brava antrafen hat mich voll und ganz begeistert: Estebao, der bei der Verwaltungsbehörde arbeitet und der die Kastrationskampagne mit Marga vorbereitete, Sarah, die uns jeden Abend in ihrem kleinen Restaurant ein Abendessen zauberte, die Hibiskusblüten, der Nebel, gemäßigtere Temperaturen.
Auf Brava kastrierten wir jeden Tag in einem anderen kleinen Dörfchen und jeden Morgen wartete schon eine Traube von Menschen mit ihren Tieren vor dem angekündigten Gebäude auf uns. Zum einen hatte Estebao mit der Vorankündigung in den Dörfern gute Arbeit geleistet, zum anderen sprach sich unsere Anwesenheit so schnell herum, dass uns (wörtlich!) schubkarrenweise die Tiere herbeigeschafft wurden.

Wohl dem deutlich kühleren Klima geschuldet, fanden sich auf den Hunden weitaus weniger Zecken, auch sonst machten die Tiere einen gesünderen, gepflegteren Eindruck und auch die Operationen gingen uns trotz teilweise schwierigerer Arbeitsbedingungen (löchriges Wellblechdach, kein fließendes Wasser, zu niedrige Tische...) gut von der Hand.
Auf den Straßen sahen wir einige, bei vorherigen Kampagnen bereits kastrierte Tiere, wohl genährt und augenscheinlich sehr zufrieden mit ihrem Leben. Alles in allem lässt sich Brava als ein sehr positives Beispiel für gute Zusammenarbeit mit den Gemeinden und kontinuierlichen und gezielten Einsatz nennen. Leider oder zum Glück werden wir zurückkommen müssen, für weitere Kastrationseinsätze und wir hoffen, dass uns Brava auch in Zukunft noch so begeistern wird.

Sal

Wieder zurück auf der touristischen Insel Sal standen noch zwei weitere Wochen Kampagne an, eine in Palmeira, einem kleinen Hafenstädtchen und eine in Espargos, der Hauptstadt von Sal.
Die Situation der Tiere auf den Straßen dort ist zwar durch die langjährige Präsenz des Tierärztepools sehr viel besser als auf anderen Inseln, aber dafür, dass man ihr nicht ganz Herr wird sorgen leider immer einige Menschen. Manche weigern sich aktiv uns ihre Tiere kastrieren zu lassen, andere stehen unseren Zielen gleichgültig gegenüber und sehen in ihnen nicht genügend Anreiz, um sich von ihrem Stuhl zu erheben und uns die Tiere vorbeizubringen. Oder sich irgendwie mit uns in Verbindung zu setzen, wir würden die Tiere ja auch abholen...
Zu unseren Kampagnen hatten sich aber dann doch viele Leute aufgerafft und empfanden unseren Einsatz als große Hilfe. Mich hat es immer besonders gefreut, wenn jemand mit einem bereits kastrierten Tier vorbeikam, um es entwurmen oder gegen andere Parasiten behandeln zu lassen oder wegen der zu lang gewachsenen Krallen. Manche Tiere haben eben doch Glück und leben ihr neues Leben nun mit liebevollen Menschen.

Die nächsten Wochen verbrachten wir dann hauptsächlich im quirligen Santa Maria, Sal´s Touristenhochburg. Hier fällt es schon deutlich schwerer, auf den ersten Blick unkastrierte Tiere zu finden, doch wenn man weiß, wo man suchen muss, wird man auch fündig.

Marga ist hier sehr gut etabliert und hat ein tolles Netzwerk mit Leuten aufgebaut, die ihr auf unterschiedlichste Art und Weise helfen, die Tierpopulation zu kontrollieren. So fuhren wir mit Angela mit, die täglich mehrere kleine Hunderudel mit Futter versogt und der unkastrierter Zuwachs aufgefallen war, schnappten uns den ein oder anderen Neuling am Strand, von denen uns Touristen berichteten, fingen mit der Katzenfalle die scheuen Streuner ein, die jeden Abend von einem netten Italiener gefüttert werden oder machten uns mit verschiedenen Lockmitteln ausgestattet in einigen großen Hotelanlagen ans Katzenfangen... Schweißtreibende Arbeit bei sengender Hitze, die sich aber lohnt, denn diese Tiere wären bestimmt nicht von selbst zu Margas Klinik gekommen.
Mir sind hier auf Sal viele Happy Endings begegnet, ehemalige Straßentiere die wussten, wie man Toursiten oder die hier lebenden Expats um den Finger wickelt und sich nun in Deutschland, Belgien oder England auf einem Sofa räkeln dürfen oder hier an einer Leine spazierengeführt werden und allen Schutz und Zuwendung erfahren.

Leider gibt es auf Sal auch einen Ort, wo die Tiere enden, die weitaus weniger Glück haben: das öffentliche Tierheim. Von einem „Heim“ kann in keinem Fall die Rede sein, es sind Zwinger, in die 3 bis 5 Hunde zusammengepfercht und weggesperrt werden, 82 Hunde bei unserem letzten Besuch. Im „Canil municipal“ können sich Besitzer ihrer Hunde entledigen, wenn sie ihnen lästig werden und es ist die Antwort der Gemeinde, auf Probleme in Verbindung mit Straßentieren. Es ist ein Gefängnis, das seinen Insassen keinerlei Zukunft verspricht, wo man aus Bequemlichkeit der Lösung all der Missstände aus dem Weg geht, trotz unermüdlicher Arbeit unsererseits und den größten Bemühungen, genau solche Orte des Tierleides zu vermeiden. Wir kennen die Geschichte dieser Hunde nicht, aber wir wissen, dass sie vorbei war am Tag, als sie dort abgeliefert wurden.

In einem Jugendbuch habe ich mal den Satz gelesen, dass sich Menschen entscheiden müssen „...zwischen dem richtigen Weg und dem einfachen.“ Wir gehen den richtigen Weg, denn wir bieten eine Alternative zum Wegsperren und Leiden lassen. Wir arbeiten tagtäglich daran, die Menschen in unseren Einsatzländern von mehr Verantwortlichkeit gegenüber unseren Mitgeschöpfen zu überzeugen, daran in immer mehr Köpfen den Samen für Einsicht und Mitgefühl zu sähen. Warum müssen Orte wie diese überhaupt noch existieren?
Sie zeigen uns immer wieder deutlich die traurige Wahrheit: dass doch noch ein verdammt langer Weg vor uns liegt.
Die Ungerechtigkeit, die den Hunden dort widerfährt lähmt mich und mein Ärger über die Verantwortlichen ist groß. doch es soll nicht das sein, was ich mit meinem Einsatz auf den Kapverden als erstes in Verbindung bringe.

Es war eine spannende Zeit, die ich mit tollen Menschen hier verbracht habe, ich durfte Teil guter Arbeit sein, Teil erfolgreicher Kastrationskampagnen und ich habe Hoffnungsschimmer gesehen, die uns alle immer weiter antreiben.

Eure Valentina

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!

Jetzt spenden!

In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de