
Nachruf Frieda
Ein Text von Sara Kohl
Der Tod kommt nie zum richtigen Zeitpunkt. Aber diesmal war das Timing echt richtig mies.
Alle sind im Stress, jeder freut sich und ist aufgeregt – die große Mitgliederversammlung vom Tierärztepool am Bodensee steht am nächsten Tag an. Ich stecke auch mitten in den Vorbereitungen, muss noch alles Mögliche machen. Ich merke aber, deine Kräfte schwinden – jeden Tag mehr. Seit einem halben Jahr baust du, liebe Frieda, rapide ab. Mit geschätzten 15–16 Jahren darf man das aber auch. Seit einigen Wochen immer weiter fortschreitende Zuckungen. Wir sind uns einig: Irgendwas im Kopf geht da grad kaputt. Und dann seit einer Woche ganz massiver Durchfall, teilweise wie Wasser. Die Hitze noch dazu. So kam alles zusammen und hat deine Kräfte in Windeseile schwinden lassen. Dass wir nicht mehr von langer Zeit sprechen, war klar, aber dann ging’s viel schneller als gedacht.
Tja, und dann, am Freitag vor der Mitgliederversammlung, konntest du fast nicht mehr stehen und laufen, wolltest kaum fressen und warst einfach nur müde. Es war Zeit für dich. Aber eigentlich hatte ich ja gar keine Zeit, und am Samstag und Sonntag bin ich ja eigentlich auch den ganzen Tag nicht da.
Echt, Frieda, das war ein Scheiß-Timing.
Mein Herz und mein Verstand streiten sich, ob es noch bis Sonntag geht, damit ich mich in Ruhe und gebührend von dir verabschieden kann – so, wie du es verdient hast. Aber hier geht’s nicht um mich, hier geht’s um dich, liebe Frieda. Und du solltest nicht länger leiden.
Und so hab ich dich am Freitagnachmittag ziehen lassen…
Viele fragen mich jetzt im Nachgang, wie ich unter den Umständen am Samstag die Mitgliederversammlung so durchziehen konnte.
Wisst ihr, wenn man immer diese alten Socken hat, dann gehört der Tod / das Einschläfern irgendwie auch dazu. So schlimm es jedes Mal wieder ist – aber so gut ist es, zu wissen, dass man euch alten Zauseln noch eine gute Zeit hat machen können. Dass man Wiedergutmachung leisten konnte für den ganzen Mist, den ihr in eurer Vergangenheit aushalten musstet. Und dass man euch am Schluss nicht unnötig leiden lässt, sondern euch den letzten Liebesdienst erweist – über die Regenbogenbrücke gehen zu dürfen, damit Leid erspart oder beendet wird.
Auch dir, liebe Frieda, habe ich diesen Dienst erwiesen – wie den sieben anderen alten Zauseln vor dir.
Du hast genug gekämpft.
Ach, liebe Frieda.
Vor 3½ Jahren habe ich dich auf einem Video entdeckt – ganz im Hintergrund, denn es ging eigentlich um einen ganz anderen Hund. Und ich hab gleich gedacht: Oh, das ist was für mich.
Dann schickte mir Nina am nächsten Tag ein Bild von dir, wie du in deiner Box liegst und auf die OP wartest.
Ich war sofort schockverliebt.
Eine alte, zauselige Oma, mit krummen Zähnen, mehreren großen Tumoren und alles etwas speziell. Genau mein Beuteschema.
Ich hab mich total gefreut, dir eine letzte schöne Zeit zu machen.
Keiner dachte, dass die Zeit so lang wird. Die vielen Jahre bei dieser „Tante“ in Rumänien, die dich und viele andere Hunde einfach nur in Zimmern weggesperrt hat, haben Spuren hinterlassen. Der Umgang mit Menschen war dir völlig fremd.
Die anderen Hunde, vor allem Coco, haben dir sehr viel Halt gegeben.
Trotz allem warst du von Anfang an neugierig und interessiert.
Mein Professor Frieda.
Ich hab dich immer mit Einstein verglichen – die buschigen Augenbrauen und die stetigen Denkerwolken über deiner Stirn.
Was haben wir über dich gelacht, weil man wieder deinen Kopf hat rauchen sehen – vor lauter Nachdenken.
Einfach mal so was machen? Nee, das gab’s nicht bei dir. Alles musste genau durchdacht werden.
Deine eingebaute Uhr, wann Futterzeit ist, war absolut legendär.
Pünktlichst um 16:30 Uhr fingst du an, rumzulaufen und mich immer wieder daran zu erinnern, dass es jetzt bald 17 Uhr ist. Und wenn ich nicht bis 17:30 Uhr gehört hab, ging das Gemecker los.
Ach, was hab ich über dich manchmal gelacht.
Frieda, du warst hier im Rudel die unangefochtene Chefin. Du musstest nichts machen, aber jeder wusste: Du bist in Ruhe zu lassen – und das hat auch jeder Pflegi in der ganzen Zeit sofort verstanden.
Das wird jetzt ganz schön fehlen.
Wer sagt denn den Pflegis jetzt, wo es langgeht?
3½ Jahre – und alles musste immer seine Ordnung haben.
Immer die gleichen Abläufe und am liebsten auch immer alles so wie immer. Veränderungen und Abweichungen haben dich total aus dem Konzept gebracht.
Somit warst du total berechenbar, machtest aber manches damit auch echt kompliziert.
Dich einfach mal so bei jemand anderem abgeben, weil ich mal nicht da war – das war echt eine Herausforderung.
Ach Frieda, du warst in den letzten Jahren meine Bank, meine Beständigkeit, mein Ruhepol.
Du wirst mir echt an so vielen Ecken fehlen.
Jetzt hast du es aber leichter – hast keine Schmerzen und Schwächen mehr, kannst mit Coco und Merlin im Regenbogenland toben, hast immer einen vollen Napf und dein Lieblingssofa zum Schlafen.
Du hast es echt verdient. Du warst so eine Tolle.
Liebe Frieda – danke für die Zeit, die du mir geschenkt hast.
Ich werde dich nicht vergessen.
Alles Liebe,
dein Frauchen Sara