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Epanomi - gemeinsam für eine gute Sache

Ein Bericht von Dr. Melanie Stehle, Tierärztin

80 Stunden stand ich still. Mit einer Maske vor meinem Gesicht.
Der Einsatz in Epanomi dauerte sieben Tage lang. 168 Stunden. Demnach habe ich mich fast die Hälfte davon nicht bewegt und in der anderen Zeit telefoniert, Notfälle begleitet, schnell etwas gegessen, den Teamgeist genossen und geschlafen.
Jede Tierärztin vom Tierärztepool hat ihre Schwerpunkt-Einsatzorte. Epanomi, in Nordgriechenland, gegenüber dem Olymp, ist eines meiner Babies. Ich möchte das beste aus jedem Einsatz herausholen, so viele Tiere wie möglich durch die Kastration in ein besseres Leben begleiten. Leid nehmen und Wunden heilen. Dazu bin ich nicht alleine angereist. Zwölf Menschen aus Deutschland verbinden mit diesem kleinen Ort die gleichen Wünsche wie ich. Hier, im Tierheim von „A.C.E. - Tiere in Not e.V.“  können wir unter hygienisch perfekten Bedingungen arbeiten. Ich trage zwar die medizinische Verantwortung, aber diese Last wird mir leicht gemacht, denn die angereisten Helfer versorgen unsere Schützlinge so liebevoll, dass mir das Herz aufgeht. Auch ich werde auf Händen getragen und während des Tages gepäppelt, wie ein mutterloser Welpe.
Über uns allen schwebt aber, wie bei jedem Einsatz, das Damoklesschwert der Finanzierung. Jeder Einsatz birgt ein finanzielles Risiko. Schon bei der Planung. Wer kommt mit, wann buchen wir die Flüge, was muss alles bestellt werden und rechtzeitig am Ort des Geschehens ankommen? Und im Zentrum dieser Sorgen stehe ich. Ohne Chirurgin fällt alles ins Wasser. Was passiert, wenn ich mich kurz vor Abreise an Corona infiziere oder sonst eine Erkrankung auftritt? Schon Tage zuvor schlägt mein Puls höher.

Und diese Angst ist nicht unbegründet. Auf Kreta brach sich Sabrina Klüßendorf, meine OP-Assistenz, die ich fest für Epanomi eingeplant hatte, das Wadenbein. Zum Glück haben wir mehrere Assistentinnen und so wurde umorganisiert und umgebucht. Aus Sabrina wurde Michelle Hoffmann, die kurzerhand von Kreta anreiste. Improvisieren gehört gleichfalls zu unserem Job wie die Operationen, die unverzüglich nach unserer - dann doch - glücklichen Ankunft beginnen.

Der angereiste Helferstab scharrt erwartungsvoll mit den Hufen. Geht es jetzt endlich los? Ich schaue in Richtung Olymp, schmunzle und fühle mich motiviert. Er steht schon viel länger auf steinernem Untergrund still und wird es auch dann noch tun, wenn wir längst abgereist sind. Ich bin zwar wahrlich nicht Zeus und mein Helferstab sind keine Götter, trotzdem fühlen wir uns wie eine göttliche Familie, nicht auserkoren, sich in das Schicksal der Menschheit einzumischen, sondern in das der Tiere. In das Schicksal unserer Babies.

Bestens organisiert läuft am ersten Tag alles wie gewünscht. Hunde werden gebracht und später wieder abgeholt. Menschen kommen und gehen, die Logistik funktioniert. Immer wieder herrscht Trubel, griechische zwischen nordeuropäischer Mentalität - auch dieses Zusammenspiel harmoniert.
Doch plötzlich stockt das Gewusel. Stimmen werden hektischer, Unruhe füllt den Innenhof. Die anfängliche Gelassenheit aller scheint sich durch die Ankunft einiger Hunde ins Gegenteil zu verkehren.

„Sie kommen von einem ehemaligen Lehrer“, „auch er lebt ohne Wasser und Strom“, sind Gesprächsfetzen, die in den OP durchdringen. Xenia, eine langjährige Tierheimmitarbeiterin, berichtet mit sich überschlagenden Worten, dass sie bereits drei Jahre lang versuchte, den Lehrer von der Kastration seiner mittlerweile 40 Hunde zu überzeugen. Drei Jahre, in denen sie zusehen musste, wie die medizinische Situation immer schlechter wurde. Der Lehrer blieb in all dieser Zeit stur. Xenias Ausdauer zahlte sich aber aus. Er fasste Vertrauen und gab ihr die Hündinnen zur Kastration mit. Die Rüden nicht. Sie sollten auf gar keinen Fall ihrer Männlichkeit beraubt werden. Und wieder war es Xenia, die zumindest heraus handeln konnte, dass diese Tiere zur Untersuchung mitgenommen werden durften, denn es war auch für ihn ersichtlich, dass seine Tiere krank waren.
Als ich sie sah, hätte ich am Liebsten - im Körper von Zeus - einen Donnerblitz auf diesen ignoranten Didakten gefeuert.

Ihr Anblick war herzzerreißend. Die Rüden waren von Zecken, Flöhen und Räudemilben übersät. Ihre Körper hatten das Erscheinungsbild chronisch erkrankter Lebewesen. Nun bin ich diese Anblicke gewohnt und ein bisschen Parasitenbehandlung wirft mich nicht aus der Bahn, aber die Bäuche unserer neuen Patienten waren literweise mit Bauchhöhlenflüssigkeit gefüllt. Jeder ihrer Atemzüge war eine Qual, verbunden mit höchster Anstrengung. Meine Erfahrung, beruhend auf der jahrelangen Arbeit in Nordgriechenland lehrte mich, dass es sich um das Endstadium einer Herzwurmerkrankung handeln musste. Ohne eine spezielle Behandlung schädigen diese Würmer die Pumpleistung der Herzen und verursachen eine Flüssigkeitsansammlung in der Bauchhöhle. Spätere diagnostische Untersuchungen bei einem griechischen Kollegen bestätigten meine Vermutung.
Zehn Hunde mussten dringend behandelt werden. Eine Hündin war sogar so schwach, dass sie eine Bluttransfusion benötigte. Sie hätte keine Woche länger überlebt.

Und wie sollte es nun weiter gehen? Vom Olymp kam keine Antwort. Immer, wenn man göttlichen Rat braucht, herrscht schweigen im Olivenhain. Also mussten wir handeln. Gespräche mit der Gemeinde, den Tierärzten, den Tierschützern und natürlich dem Lehrer, dem die Situation entglitten war, wurden begonnen. Er hängt sehr an seinen Tieren, er liebt sie und er füttert sie auch regelmäßig…

Wo ist mein Donnerstab?!

Doch das reicht nicht aus, wenn die Tiere schwerwiegend erkranken. Hannelore von A.C.E. erklärt sich sofort bereit, die erkrankten Hunde im Tierheim zu betreuen, solange sie Hilfe brauchen. Wir atmen alle auf, sie in guter Obhut zu wissen. Als sich dieses Problem durch den Betreuungswechsel löst, taucht ein anderes auf.

Durch die Kastrationsaktionen, überwiegend an Hunden, ist völlig untergegangen, dass es auch Katzen in dieser Region gibt. Warum seit Jahren immer mehr von diesen Samtpfoten an den Mülltonnen gesichtet werden, weiß niemand so ganz genau. Vermutungen werden laut, dass ein Rückgang der Hundepopulation ein Anwachsen der Katzenpopulation mit sich bringen könnte. Demnach ist eine Gegensteuerung dringend angesagt und wurde auch an den letzten beiden Tagen umgesetzt.
Für die Zukunft benötigen wir aber mehr Fallen und Boxen. Und Menschen, die uns auch bei diesem Plan unterstützen und das Projekt mittragen. Katzen leiden still, aber wir möchten ihnen eine Stimme geben.

Mein Berg, von dem ich mich die ganze Zeit beobachtet fühlte, trägt im Winter, bis weit in den Sommer hinein, eine schneebedeckte Spitze. Es sieht mit ein bisschen Fantasie aus wie eine OP-Maske. Nach den sieben Tagen ziehe ich meine endlich ab, danke ihm heimlich für die Unterstützung, dass wir keine Narkosezwischenfälle hatten und bedanke mich gerührt beim ganzen Team. Wir alle haben in dieser Woche jeden Tag alles gegeben, oft auch bis spät in die Nacht hinein. Vielen Vierbeinern haben wir ein besseres Leben ermöglicht und hoffen, beim nächsten Einsatz weniger Leid vorzufinden. Ich danke euch allen von ganzem Herzen.

So widme ich diesen Bericht drei kleinen Tierkindern - für deren Leben wir kämpften. Ein Leben, das wir ihnen von Herzen gegönnt hätten. Deren Dasein durch das Leben auf der Straße zu Ende ging, bevor es richtig begonnen hatte! Sie hatten keinen fürsorglichen Besitzer, der sie vor dem herannahenden Auto gewarnt oder mit Impfungen vor einem qualvollen Tod geschützt hätte.
Wir schafften es nicht, sie ins Leben zurückzuholen.

Eure Melanie

Partner

Dieses Projekt führen wir gemeinsam mit dem Verein "ACE Tiere in Not e.V." durch, der auch die Finanzierung sicherstellt.

A.C.E.- Tiere in Not e.V.
Sparkasse Neu-Ulm
IBAN: DE41 7305 0000 0441 2684 89
BIC: BYLADEM1NUL

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!

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In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de