Evi und Elsa
Ein Bericht von Thomas Busch, Vorsitzender
15 Stunden lang gaben Jessica und Spiro Vollgas. Von Veria im Norden Griechenlands fuhren sie über Nordmazedonien, Serbien, Kroatien, Österreich bis sie endlich, in der Nähe des Münchener Olympiaparks, erschöpft aber zufrieden den Motor ausmachten.
Evi hatte die ganze Fahrt eingerollt in ihrer Box gelegen, sich ihrem Schicksal ergeben. Wie schon vor langer Zeit. Gestern holten vorsichtige Hände sie raus aus dem Loch, welches inzwischen ihre Heimat geworden war. Ein Käfig unter vielen. Groß genug, um aufzustehen, zwei Schritte zu gehen und sich wieder hinzulegen. Das Kläffen an den Gitterstäben hatte sie sich abgewöhnt. Morgens gab es Futter, seit Jahren dasselbe langweilige Zeug, und danach kam der Wasserschlauch. Sie hatte Angst vor diesem gefährlichen Ding, verstand es aber im Laufe der Zeit, sich ganz weit in das Loch zurückzuziehen. Dort traf sie der Strahl so gut wie nicht. Leider blieb dafür aber auch alles, was von ihr abfiel, liegen. Als sie sich das Loch noch mit ihrer Schwester teilte, bildete sich ein dreckiger, stinkender Haufen, den beide tolerierten. Tolerieren mussten.
Als sie nun rausgeholt wurde, drehte sie sich nicht einmal mehr um. Ihre Tochter hatte sie vor zwei Monaten verlassen, warum sollte sie sich umdrehen? Um einem stinkenden Käfig hinterherzutrauern? Lediglich der junge Hund, den man zu ihr gesperrt hatte, tat ihr leid. Sollte sein Schicksal auch jahrelanger Knast bedeuten?
Elsa mag Auto fahren nicht wirklich. Zwar springt sie inzwischen von alleine hinein, aber nur um Frauchen einen Gefallen zu tun. Das Herausspringen ist ihr unangenehm, denn ihr fehlt am rechten Bein eine Zehe. Melanie musste sie amputieren, als sie Elsa bei einem Kastrationseinsatz in Griechenland fand. Wie schon so oft, durfte Elsa mit nach Deutschland, mitten auf den cremefarbenen Teppich in Melanies Wohnzimmer, der inzwischen von all den Kandidaten vor Elsa, leicht grau geworden ist. So springt sie widerwillig ins Auto, ihr kleiner Freund Pelle Papandakis hinterher und ab geht es. Ihre Verletzung ist gut verheilt. Leicht war es allerdings nicht, die große Wunde zu schließen, denn bei jedem Schritt bestand die Gefahr, dass die Naht aufreißt. Endlose Verbandswechsel folgten. Nun ist alles zu, jedoch ist Elsa leicht durchtrittig. Eine Schiene ist schon angefertigt, aber humpeln wird sie ihr Leben lang. Deshalb hat sich wahrscheinlich noch niemand für sie interessiert, obwohl Melanie ihr Bestes gibt, Elsa an den Mann oder an die Frau zu bringen. Je länger sie nämlich bleibt…
Nein, zwei Hunde passen in Melanies Tagesabläufe einfach nicht rein!
Als Melanie Elsa in Griechenland operierte, stand durch die komplizierte OP schnell fest, dass dieser Hund in dem Tierheim keine Chance hat. Elsa flog also mit nach Deutschland, wurde gepflegt und gepäppelt und ist zu einem wunderschönen, (leicht humpelnden) Hund (auf leicht grauem Teppich) geworden.
Melanie ging aber etwas anderes seitdem nicht mehr aus dem Kopf. In dem Zwinger, in dem Elsa hauste, gab es noch eine andere Hündin. Auch schwarz/weiß. Und auch sehr zurückhaltend. Es schien, als hätten beide Tiere mit dieser Welt abgeschlossen. Die eine durfte, aufgrund der verletzten Zehe, mit nach Deutschland, hatte den Joker gezogen, die andere musste dort bleiben. Vor eineinhalb Jahren sammelte man beide Tiere ein, sperrte sie weg und die Welt vergaß sie. Zwei Hunde weniger auf den Straßen Verias. Zwei böse, bissige Tiere, die störten. Nur wen? Und böse? Lächerlich!
Jessica schickt eine Nachricht: „Evi ist total süß. Macht null Probleme, scheint stubenrein zu sein. Wir waren kurz draußen und brauchen noch ca. eine Stunde. Treffpunkt wie besprochen.“
Melanie gibt Gas. Man weiß nie, wie um diese Zeit der Verkehr in Richtung München ist.
Eine liebe Kollegin, der das Foto von dem Zwinger, in dem beide Tiere hausten, auch nicht mehr aus dem Kopf ging, interessierte sich für Evi. Die könnt ihr doch dort nicht einfach so zurücklassen, ich nehme sie in Pflege oder behalte sie. Egal, Hauptsache, sie kommt da raus. Und so reihten sich unendlich viele Telefonate aneinander, die in dem Moment enden, als Melanie ihren Wagen auf den Parkplatz des Olympiastadions lenkt.
Beide Hunde hatten sich über Monate nicht mehr gesehen. Elsa ist inzwischen zu einer Dame geworden. Schickes Halsband, gekämmtes Fell, gepflegter Duft und eine Schiene am Bein, von der tausende andere verletzte Hunde nur träumen können. In ihrer Begleitung ein etwas kleiner, dicklicher Hund namens Pelle Papandakis, der damit prahlte, sogar einen eigenen Futternapf zu besitzen.
Evi dagegen hatte noch nicht geduscht. Zwar legte man ihr beim Einsteigen ins Auto ein Brustgeschirr an, aber sie wusste nicht, ob sie es behalten dürfte. Sie stank wie ein Iltis, hatte noch nie einen eigenen Futternapf besessen und wusste mit ihrer Freundin im ersten Moment gar nicht richtig was anzufangen. Die Freude von zwei Schwestern, die sich lange nicht mehr gesehen und die auch keine Vorstellung hatten, ob sie sich überhaupt jemals wiedersehen würden, war verhalten.
Der einzige, der stolz war, zukünftig mit zwei großen hübschen Mädchen spazieren gehen zu können und anzugeben, war Pelle Papandakis.
Evi duschte in Melanies Badewanne. Zuerst in heller Aufregung akzeptierte sie immer mehr die Wärme des Wassers, das gute Zureden und die Berührungen. Ihre Schwester lag vor der Badezimmertür und beobachtete das Prozedere, was auch sie hatte, über sich ergehen lassen müssen. Evi ist stubenrein! Sie legte sich nach dem Bad auf einen Teppich – den grauen – und schlief neben Elsa bis zum nächsten Morgen. Dann gingen alle eine kleine Runde spazieren. Es waren Evi´s erste Schritte in Freiheit seit über eineinhalb Jahren. Jeder Baum wurde betrachtet, jeder Grashalm beschnüffelt. Spaziergänger minutenlang beobachtet, als müsse sie etwas lang Vergessenes nachholen. Sie hüpft auf kein Sofa, springt nicht ins Bett, bettelt nicht, ist stubenrein, geht an der Leine. Genauso wie Elsa, die inzwischen all diese neuen Errungenschaften als selbstverständlich ansieht und von der wir vermuten, dass es nicht Ihre Schwester ist, sondern ihre Mutter. Beide bleiben oft stehen und schauen sich die Gegend an. Beide sind total entspannt, sehen sich sehr ähnlich und haben weiße Wimpern. Sie können wie Kühe gleichzeitig Gras fressen, bewegen sich an der Leine fast synchron. Wir werden es nie herausfinden, ob wir eine kleine Familie wieder für einen kurzen Moment zusammenbringen konnten, aber das ist auch nicht das wichtigste. Wichtig ist, dass Melanie ihr stilles Versprechen halten konnte und auch Evi nach Deutschland geholt hat. Sie wird nur drei Tage bei ihr, Pelle und ihrer Tochter bleiben. Dann macht sie sich auf in Richtung Saarbrücken, zu ihrer letzten Heimat. Elsa wird bei Melanie bleiben, aber Melanie muss bald wieder nach Griechenland. Zu viele Tiere warten dort auf eine Tierärztin, die nicht nur wie eine Maschine kastrieren kann, sondern die auch Schicksale bewegt. Von Nordgriechenland bis zur Olympiastation. Es gibt überall immer wieder welche, die die Chance benötigen, in ihrer Badewanne… auf dem ehemalig cremefarbenen Teppich… die Verbandswechsel… Sie wissen schon.
Deshalb wird die Zeit knapp, denn auch Elsa gewöhnt sich immer mehr an das, was all die vergangenen Monate keine Selbstverständlichkeit für sie war.
Sie müssen nicht unbedingt in der Nähe von München oder Saarbrücken wohnen, wenn Sie Elsa oder Evi ein neues Zuhause bieten möchten. Aber schön wäre es :-).
Richten Sie sich auf einen Hund ein, der sie begleitet und auf sie aufpasst. Ein völlig genügsames Tier, das auf Ihre Joggingrunde gern verzichtet und keine ewig langen Spaziergänge fordert. Das aber jeden Kuschel- und Bauchkraulwettbewerb gewinnt!
Und wenn Ihr Teppich rot, blau oder bunt ist… Elsa hat farblich keine Vorlieben. Nur weich sollte er sein, sie hat lange genug auf kaltem, nassen Beton liegen müssen.
Helfen
Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!
In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.
In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:
Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer
TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de