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Veria Herbst 2020

Ein Bericht von Ronja Rolle

Es ist Freitagmorgen. Ich wache aufgeregt mit sehr gemischten Gefühlen auf. Zu der Vorfreude auf die Kastrationsaktion in Veria (Nordgriechenland) mischt sich zeitgleich auch die Nervosität, was da wohl für Eindrücke auf mich zukommen werden und ob ich ihnen gewachsen bin.

Während des Zwischenstopps in Wien treffe ich das erste Teammitglied. Die Tierärztin Dr. Melanie Stehle arbeitet bereits seit über zehn Jahren für den Tierärztepool. Am Flughafen haben wir Zeit, uns ein bisschen kennenzulernen und ich habe die Möglichkeit mich mit ihr intensiv über die vergangenen Kastrationsaktionen zu unterhalten. In Veria scheinen die Probleme mit den Straßenhunden und -katzen extrem groß zu sein. Meine Neugierde steigt. In Thessaloniki angekommen lerne ich auch die anderen beiden aus dem Team kennen. Sabrina Klüßendorf, die Assistentin im OP, und Selina, die wie ich als Freiwillige das erste Mal dabei ist. Ich habe sofort das Gefühl, dass es ein sehr harmonisches Team ist.

Wir fahren direkt zum Tierheim und auf der Fahrt sehe ich so viele Straßenhunde wie noch an keinem anderen Ort. Traurigkeit kommt in mir hoch, aber gleichzeitig auch der Tatendrang, anfangen zu wollen und vor Ort zu helfen.
Am Tierheim erwarten uns Doris und Max Walleitner, die Vorstände des Tierschutzvereins „TierInsel - Umut Evi e.V.“, die diese Kampagne finanzieren und gemeinsam mit dem Tierärztepool durchführen. Sie führen uns umher und zeigen den Operations- und Nachsorgeraum sowie das Gelände. Die ersten Menschen und die ersten Hunde sind bereits da. Die Tiere sind zum Teil so abgemagert, dass mir die Tränen in die Augen steigen. „Reiß dich zusammen, Ronja!“, sage ich zu mir selbst.
Nachdem wir alles ausgeladen haben, fahren wir ins Hotel und essen gemeinsam zu Abend. Die Vorfreude und die Neugierde auf den morgigen Tag erreichen ihren Höhepunkt. Wann geht es endlich los?

Am nächsten Morgen kann ich die Anzahl der Hunde und Katzen auf der Straße nicht mehr zählen. Es sind endlos viele!
Wir lernen die Griechen kennen, die sich in Veria für den Tierschutz einsetzen. Ich bekomme einen ersten Eindruck davon, wie überfordert die Tierschützer vor Ort mit der Masse an Straßenhunden und -katzen sind.
Melanie und Sabrina verschwinden im OP und die Arbeit geht los. Ich bekomme von Doris die Aufgaben im Nachsorgebereich gezeigt und lerne unglaublich viel in den nächsten Tagen. In die Nachversorgung kommen die Hunde nach ihrer Kastration und können unter unserer Beobachtung langsam wieder aus der Narkose erwachen. In der Zeit schauen wir uns das Gebiss an, dass nichts zwischen den Zähnen steckt, und entfernen vorsichtig den Zahnstein, sodass die Hunde ihre Zähne noch ein paar Jahre länger behalten können. Des Weiteren schauen wir im Ohr nach Grannen, den einem Widerhaken ähnlichen Blütenstand der Gräser, die um Gehörgang zu schlimmen Entzündungen führen können. Die Krallen werden je nach Bedarf geschnitten und auch eine Fellpflege steht auf dem Programm. Ganz schön viel für einen Neuling in Griechenland, aber durch die gute Anleitung von Doris fühle ich mich schnell in der Lage, tatkräftig mitzuwirken.

Mein Herz weint, als ich die häufig schlimmen Zustände der Hunde sehe. Gleichzeitig überkommt mich aber auch eine Welle der Überwältigung, zu sehen wie freundlich und dankbar die Tiere sind. Sobald sie aufwachen fangen die meisten direkt an, mit dem Schwanz zu wedeln und freuen sich über jede Streicheleinheit, die sie von mir bekommen. Wie gut es doch meinem Hund daheim geht! Mir wird bewusst, wie viel ich nicht über die Umstände der Straßentiere kenne und bin froh die Realität zu sehen. Unter unseren Patienten sind auch Tiere mit schlimmen Hautkrankheiten, wie beispielsweise Räude oder Pilzbefall. Diese Bilder werde ich so schnell nicht aus meinem Kopf bekommen. Gott sei Dank können wir sie behandeln. Am Abend bin ich platt von den vielen Eindrücken, gleichzeitig aber auch voller Tatendrang am nächsten Morgen weiterzumachen.

An den darauffolgenden Tagen ändert sich nicht viel am Ablauf, jedoch werden die erworbenen Eindrücke von Minute zu Minute intensiver. Nachdem die Hunde in der Nachversorgung zu sich gekommen sind, kommen sie im Außenbereich in ihre Boxen. Hier ist es unsere Hauptaufgabe, die Boxen sauber zu halten, um den Tieren den Aufenthalt bei uns so angenehm wie möglich zu machen.
Am dritten Tag bekommen wir einen Welpen gebracht, ein kleines Mädchen, das wir auf unter vier Monate schätzen. Es stellt sich heraus, dass ihre gesamte Familie vergiftet wurde und auch sie zeigt Anzeichen einer Vergiftung. Ihre Familie (die Mama und ihre vier Geschwister) sind an den Toxinen gestorben. Sofort nehmen Melanie und Sabrina Gegenmaßnahmen bei diesem Zwerg vor. Es folgt ein Kampf ums Überleben. In dieser Nacht kann ich nicht schlafen. Ich hoffe so sehr, dass sie es schafft. Ich kann einfach nicht verstehen, wie wir Menschen wehrlosen Lebewesen so etwas Grauenvolles antun können. Der nächste Morgen bricht an und SIE LEBT! Ich bin so dankbar und erleichtert, denn das ist der erste große Schritt. Sie hängt noch zwei Tage an einer Infusion, da sie immer noch sehr schwach ist. Dennoch versuchen wir sie an die frische Luft zu bringen und sie mit Streicheleinheiten aufzumuntern. Am dritten Tag ist unser Baby etwas fitter und wir können sie draußen ein bisschen laufen lassen. Sie will sofort zu den anderen Straßenhunden und es wirkt, als würde sie ihre Familie suchen. Gott sei Dank ist vor Ort eine Labradordame, eine alte Hundeomi, die sie liebevoll aufnimmt und ihr Wärme spendet.

In der einen Woche der Kastrationsaktion hat mich diese kleine Welpendame am meisten berührt. Da ich viel in der Nachversorgung arbeitete, habe ich mich mehrmals täglich um sie gekümmert und so sehr gehofft, dass sie es schafft. Es war für mich ein Bangen und Hoffen und zeitgleich eines der schönsten Erlebnisse zu sehen, wie sie von Tag zu Tag stärker wurde. Zu wissen, dass ohne die Hilfe der „TierInsel - Umut Evi e.V.“ und dem „Tierärztepool“ dieser kleine Sonnenschein heute vielleicht nicht mehr leben würde, hat mich sehr bewegt und prägt meine Gedanken bis heute. Und ich durfte ein kleiner Teil ihrer Rettung sein - danke!
Umso schöner ist es zu wissen, dass sie nun bei einer großartigen Pflegestelle in Deutschland ist und auf ihre endgültigen Besitzer wartet.

Leider ist es nicht möglich allen Straßentieren eine Pflegestelle/ein neues Zuhause zu ermöglichen. Desto wichtiger sind solche Kastrationsaktionen, um die Missstände vor Ort zu verbessern. Diese Gefühle lassen sich nicht mit Geld kaufen und spornen mich auch weiterhin an, zukünftige Kastrationsaktionen tatkräftig zu unterstützen.
Ihre Ronja

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!

Jetzt spenden!

In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de