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Kreta April 2023 - Mein Weg zum Tierärztpool

Ein Bericht von Lara König, Tierärztin

5 ½ Jahre. 2009 Tage. 287 Wochen. 11 Semester. So lange dauert es, bis man sich in Deutschland Tierärztin nennen darf. Ich hatte mir dieses Ziel bereits gesteckt, als ich noch ein kleines Kind war. Mit schiefen, krakeligen Buchstaben steht in allen Freundschaftsbüchern meiner Kindergartenfreunde unter meinem Berufswunsch „Tihrartzt!“. Ich rieb meine Kuscheltiere mit Sonnencreme ein, teilte mein Essen immer mit meinem Hund und wickelte ihm aus Toilettenpapier Verbände.

Also war es für mich sozusagen immer ein „Kindheitstraum“, Tieren helfen zu wollen. Das zumindest, habe ich jedem geantwortet, der mich gefragt hat, warum es gerade dieser Beruf sein soll. Für mich galt es nach meinem Abitur erstmal meine Wartezeit auf den Studienplatz sinnvoll zu überbrücken und ich entschied mich deshalb, eine Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten in einer Gemeinschaftspraxis für Kleintiere zu absolvieren. Ich stellte schnell fest, dass bei der Arbeit mit Tieren ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen, Belastbarkeit und Flexibilität gefordert ist. Man darf zudem den Besitzer nicht außer Acht lassen und wird jeden Tag mit sehr vielen unterschiedlichen Krankheitsbildern konfrontiert. Schon damals merkte ich: Ich glaube, hier bin ich richtig.

Als ich also direkt im Anschluss an meine Ausbildung an der Universität in Gießen angenommen wurde, ging für mich ein lang gehegter Traum in Erfüllung.

Man fiebert oft während dieser Zeit dem Ende entgegen, hofft in den unzähligen Klausurenphasen auf das Bestehen jeder einzelnen Prüfung, hangelt sich durch diverse Praktika und hält plötzlich ein weißes Stück Papier in der Hand, auf dem in großen Buchstaben „Approbationsurkunde“ und der eigene Name zu lesen ist. Dieser Lebensabschnitt des Veterinärmedizinstudiums liegt nun seit Kurzem hinter mir. Irgendwie verging diese lange Zeit letztendlich wie im Flug und wurde stets von einem Grundgedanken begleitet: Ich möchte Tierärztin sein.

Doch wo kann ich mich einbringen? Wo befinden sich Tiere, die meine Hilfe dringend benötigen? Wo nützt mein Studium den Tieren am meisten? Ich suchte nach einer Möglichkeit mich zu engagieren und stieß während meiner Recherche im Internet auf den „Tierärztepool“. Ich las viele Berichte, sah mir unzählige Fotos auf der Website an und klickte mich durch einzelne Videos auf YouTube. Ich wollte unbedingt mit den einfachsten Mitteln Tieren in Not auf hohem medizinischen Niveau helfen: Das passte zum Leitbild. Zack! Bewerbung ging raus, ich traf mich mit Melanie und Thomas zu einem ersten Kennenlernen und flog wenig später, einen Tag nach meiner Staatsexamensfeier, nach Kreta.

Die größte griechische Insel im Mittelmeerraum gilt jedes Jahr als beliebtes Urlaubsziel. Ich selbst war zwar noch nie dort, bin aber augenblicklich begeistert gewesen von den idyllischen Olivenhainen und Tavernen, die die Straßen auf dem Weg vom Flughafen zum New Life Resort säumten. Als wir aber auf der Fahrt an den vielen herrenlosen Katzen und Hunden vorbeifuhren, die sich zahlreich an fast jedem Müllcontainer auf der Suche nach Futter sammelten, konnte ich die Füße nicht mehr stillhalten. Nachdem wir angekommen waren, stellte ich meinen Rucksack ab und fragte voller Tatendrang: „Wie kann ich Euch helfen?“.

Ich erinnerte mich an Thomas, der mir damals (mit einem Augenzwinkern) bei unserem ersten Treffen auftrug – Achtung Zitat – ich solle doch einmal zehn Stunden am Bügelbrett stehen, um mich so körperlich auf die Arbeitssituation vorzubereiten. Dass er diesen Vorschlag nicht ohne Grund machte, merkte ich schnell. In einer alten Schule nahe Rethymno behandelten und kastrierten wir in den folgenden Tagen als fünfköpfiges Team von morgens bis abends so viele Tiere, wie nur möglich. Meine Aufgabe bestand unter anderem darin, eingefangene Tiere umzusetzen, die Narkose einzuleiten, das Operationsfeld vorzubereiten und die notwendigen Medikamente zu verabreichen. Bei über fünfzig Tieren am Tag war das eine Ansage! Ich wurde konfrontiert mit Krankheitszuständen, die ich in dem Ausmaß noch nicht gesehen hatte. Viele Tiere waren extrem abgemagert, litten zudem meistens an einem starken Parasitenbefall und hatten teilweise noch zusätzliche Verletzungen. Ihr Erscheinungsbild war weit von dem eines klassischen Haustieres, wie man es in Deutschland kennt, entfernt. Auch das Handling musste so schnell, sicher und stressfrei wie möglich erfolgen, da die meisten Straßentiere es nicht gewohnt waren, berührt zu werden.

Nach den ersten gemeinsamen Arbeitsstunden zusammen mit Melanie wurde mir sofort klar, warum ihre Fingerkuppen mit Pflastern getaped waren. Der Faden, die Instrumente und die, teilweise monotonen, Bewegungen hinterlassen ihre Spuren. In jeder freien Minute versuchte ich Melanie über die Schulter zu schauen. Mit ihrer Ruhe, ihrer chirurgischen Geschicklichkeit und immensen Erfahrung hinterließ sie bei mir sofort einen bleibenden Eindruck.

Trotz der körperlichen Anstrengung empfand ich meine Beschäftigung an keinem einzigen Einsatztag als „Arbeit“. Ich tat es gerne. Mir gefiel das Gefühl, abends spät und erschöpft ins Bett zu fallen, wissend etwas Gutes getan zu haben. An einem Abend lag ich noch lange wach und dachte über die vielen Eindrücke der letzten Tage nach. In meinem Kopf formte sich ein Gedanke: Auch, wenn wir jeden Tag so viel zu tun haben, erscheint es einem, als würde man niemals „fertig“ werden. Aber man weiß trotzdem, dass man seinem Ziel ein Stück näher gekommen ist. Denn jede einzelne Operation verhindert Leid und verändert das Schicksal eines Tieres. Beeindruckend war für mich der Moment, als ich spürte, dass – anders als im Praxisalltag – hier die Dankbarkeit nur vom Tier, und nicht vom Patientenbesitzer, kommt.  Durch die Blicke und das Verhalten einer jeden Katze und eines jeden Hundes empfand ich mit unseren Patienten tiefe Verbundenheit.

Vor und nach den zahlreichen Behandlungen und Operationen am Einsatzort haben wir die stationären Tiere gemeinsam versorgt, Frühstück bzw. Abendessen vorbereitet und zusammen gegessen. Und auch wenn wir alle unterschiedliche Persönlichkeiten sind, so verbindet uns doch der von Herzen kommende tiefe Wunsch mit unserem Wissen und Engagement, die Situation für die Tiere auf Kreta nachhaltig zu verbessern. Trotz vieler bürokratischer Hürden gibt das Team nie die Hoffnung auf. Auch ich werde wahrscheinlich lange auf die Anerkennung meiner griechischen Approbation warten müssen. Dennoch werde ich mich nicht entmutigen lassen.

Während meines ersten Einsatzes und der vielen, teilweise Fließband-ähnlichen, Tätigkeiten, überkam mich immer wieder das starke Gefühl von Zufriedenheit. Ich merkte, dass ich glücklich war. Glücklich, weil ich spürte, Teil der Lösung dieses (Straßentier-)Problems zu sein. Und das, obwohl mich die vielen Schicksale bewegten und regelmäßig zu Tränen rührten. Ich war angekommen. Das war es, wovon ich vor, während und nach meinem Studium immer geträumt hatte: Als Tierärztin meinen Beruf zur Berufung machen und dem Tierwohl dienen. Meine Erwartungen an meinen ersten Einsatz wurden auf jeder Ebene um ein Vielfaches übertroffen. Ich bedanke mich bei all den wunderbaren Menschen, die mich in den letzten Wochen so herzlich aufgenommen, angelernt und begleitet haben. Wie ich nach meinem ersten Tag mit Euch bereits zu sagen pflegte:

„Tja, jetzt bekommt ihr mich nicht mehr los." :-)

Eure Lara

Helfen

Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
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In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de