Kreta März 2022

Ein Bericht von Verena Roth, Assistentin

Es ist Sonntag, seit gestern Nacht bin ich wieder zu Hause, nach einer Woche auf Kreta. Das Fernsehen sendet Nachrichten über den Krieg in der Ukraine, ein Krieg, den ich eine Woche lang vollständig verdrängt habe, um mich auf die dortige Kastraktionsaktion zu konzentrieren. Bedrückende Nachrichten. Melanie Stehle durfte ich seit 2016 viermal bei verschiedenen Einsätzen in Nordgriechenland assistieren, die der Verein „TierInsel Umut Evi e.V.“ organisierte. Daher war ich bereits vertraut mit ihrer bewundernswert kompetenten tierärztlichen Arbeit und ihrer freundlichen und gewinnenden Art, mit allen an den Aktionen beteiligten Menschen umzugehen. Auch auf Kreta war das nicht anders, so wurde es mir leicht gemacht, mich wieder in den Arbeitsablauf einzufinden.

Dieses Mal wurden fast ausschließlich Katzen zur Kastration nach Rethymno gebracht. Viele davon leider in keinem guten Zustand, mager, mit starkem Wurmbefall und weiteren Problemen. Ist man den Anblick behüteter und geliebter Katzen in einer deutschen Tierarztpraxis gewohnt, muss man sich schon deutlich umstellen. Eine Katze nach der anderen wird für die Operation vorbereitet, bekommt ihre Narkose, Augentropfen, Medikamente, wird rasiert, die Routine festigt sich. Ich freue mich über jedes Tier, das noch gesund aussieht und es vermutlich nach der Kastration in einem bedeutend stressfreieren Leben lange bleiben wird.

Zwischendurch überkommt es mich und ich möchte das eine oder andere Kätzchen einfach knuddeln und das beglückende Gefühl rauslassen, bei dieser guten Sache mitwirken zu können. Und immer gibt es ein Schicksal, das einem besonders nachgeht. Dieses Mal ist es Janko, dieser kleine Kater in erbärmlicher Verfassung, Hautkrebs an den Ohren, gammlige Zähne, ein kaputtes Auge, abgemagert. Einfach nur schön zu beobachten, wie er am ersten Tag nach der Operation dankbar das Futter annimmt, die Wärme genießt, sich bereits ein bisschen anfassen lässt und sofort zu verstehen scheint, dass er von nun an in Sicherheit ist. Wie er am zweiten Tag zur Begrüßung ein zartes Maunzen von sich gibt, in Erwartung seines Frühstücks.

Beim Einsatz auf Kreta durfte ich weitere engagierte Menschen des Tierärztepools kennenlernen, namentlich Christina, Gerlinde, Marga, Julia, Andi und Thomas. Ich kann nur sagen, wie sich hier jeder vollen Überzeugung in den Dienst des Tierschutzes stellt - Hut ab! In Kombination mit der gut strukturierten und organisierten Arbeit springt dabei einfach enorm viel für die Straßentiere heraus! Übrigens: ich selbst wurde auch fürsorglich verpflegt, danke (nicht nur, aber besonders) liebe Christina!

Es ist Sonntag, in der Ukraine fallen Bomben auf Wohnhäuser, flüchten Millionen Menschen, fürchten um ihre Freiheit und ihr Leben. Bedrückende Nachrichten. Was ist es angesichts dessen wert, einigen Tieren auf Kreta zu einem besseren Leben verholfen zu haben? Menschen in der Ukraine und anderswo leiden und brauchen Hilfe, Tiere auf Kreta und anderswo leiden und brauchen Hilfe. Zu helfen ist immer sinnvoll, warum sollte ich mich ewig damit aufhalten, unterschiedliches Leid gegeneinander abzuwägen? Wem nützt das? Niemandem.

Liebe Leute vom Tierärztepool: Danke und auf ein baldiges Wiedersehen!  

Eure Verena Roth