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Die Besten

Lilli und Bruno

Ein Text von Alexandra Strobel

Die Wahrheit ist, dass ich die besten Hunde habe. Angesichts ihrer Vergangenheit erstaunt mich das immer wieder aufs Neue. Denn meine Hunde sind beide aus dem Tierschutz und hatten es nicht immer so flauschig wie jetzt.

Mir persönlich fällt es trotz jahrelanger Yogapraxis manchmal immer noch schwer, Vergangenes ruhen zu lassen, ins Leben zu vertrauen und im Hier und Jetzt zu bleiben.
Meine Hunde Bruno (10, aus Griechenland) und Lili (10, aus Rumänien) können das und haben ihre Vergangenheit, zumindest zum großen Teil, hinter sich gelassen. Ihren individuellen Charakter und das, was sie jahrelang geprägt hat, bevor sie zu mir kamen, haben sie bewahrt. Und vielleicht genau deshalb sind sie für mich die besten.

Ich finde nämlich, dass Individualität genau das ist, was Hunde (und auch Menschen) so unglaublich liebenswert und einzigartig macht. Auch wenn einen gewisse Schrullen und Kauzigkeiten der Lieben ab und zu an den Rand des Wahnsinns treiben können. Habe ich zumindest gelesen.

Aber zurück dazu, wie toll meine Hunde aus dem Tierschutz sind:
Bruno ist – von außen betrachtet - eine dickköpfige, sich in Aas wälzende und alles fressende Anarcho-Bellkartoffel. Sogar Nina muss bei ihren Besuchen ab und zu ihren Kopf über ihn schütteln und Thomas fragte mich sogar einmal bei einem Treffen: „Und der ist von uns?!?“

Die Liebe zwischen Bruno und mir lässt sich ebenfalls nicht daran festmachen, dass er besonders gut auf mich hört. Oder auf irgendjemanden. Oft wurde mir in den ersten Monaten mit einem mitleidigen Lächeln Adressen von Hundetrainern zugesteckt oder Tipps gegeben - gut gemeint, bestimmt, aber meist ungefragt.

Was keiner von den Tippgebern wusste war, dass ich schon die beste Trainerin gefunden hatte. Diese half Bruno dabei, in seinem Tempo ankommen zur dürfen und mir meinen Hund, seinen Charakter und seine Vorgeschichte zu verstehen. Wie ihr euch denken könnt, lag unser Fokus dabei nicht auf den Grundkommandos.

Als mittlerweile hundeerfahrenere und auch nicht mehr leicht zu verunsichernde Person bin ich zu der Meinung gelangt, dass nicht jeder Hund (oder Mensch) das Lebensziel hat, allen zu gefallen und alles richtigzumachen (nichts für ungut, ihr süßen Labradore, aber nicht alle fühlen das so wie ihr). Und trotzdem besteht ein starkes Band zischen ihm und seinem Halter.

So ist Bruno ein Freigeist und trifft gerne eigenständig Entscheidungen. Solange er sich oder andere dabei nicht umbringt oder ein Dorf auslöscht (da passen wir dann schon auf) ist dieser Charakterkopf gepaart mit Charme, Humor und einer Prise Wahnsinn einfach der beste Typ.
Wer Bruno näher kennt, weiß außerdem, dass er, wenn ihm etwas Spaß macht, der totale Streber ist: Egal ob im Hundekurs, beim Agility oder beim Schnüffel-Workshop, er hat den Bogen raus und hört auf jedes Kommando.

Auch büchst er von zu Hause aus und rennt meinem fahrenden Auto die halbe Straße hinterher, weil er unbedingt mit mir zu Edeka möchte. Oder wohin auch immer. Hauptsache zusammen. Wenn ich krank bin, liegt er den ganzen Tag mit aufgelegter Pfote neben mir und schaut besorgt.
Es gibt verschiedene Arten, seine Liebe zu zeigen, bei Hunden und bei Menschen. Bedingungsloser Gehorsam gehört meiner Meinung nach sowieso nicht zu den wichtigsten Eigenschaften. Übrigens auch nicht in meiner eigenen Vita. Ich finde Humor, Charme und Lebensfreude zum Beispiel viel wichtiger – und davon hat Bruno mehr genug. Es gibt einfach niemanden, der ihn nicht mag!

Und dann ist da noch Lili, die beste der besten.
Ich weiß, dass Hunde aus dem Tierschutz meist nicht aus guten Verhältnissen kommen. Aber ihre Geschichte macht mich immer noch fassungslos. Dann wütend. Dann wieder fassungslos. Dann schicke ich Nina eine Sprachnachricht und erzähle ihr zum tausendsten Mal, wie süß Lili ist – trotz allem, was sie erlebt hat, und wie sehr mich das berührt.
Lili kam fünf Jahre nach Bruno zu uns und war damals schon sieben Jahre alt. Davon hatte sie alle sieben an der Kette verbracht. Draußen. In Rumänien. Jahr für Jahr. Zu essen gab es, wenn überhaupt, nur verschimmeltes Brot. Sie wurde misshandelt und gemobbt, egal ob von den Menschen oder anderen Hunden.

Sie war ein winziges, dünnes Häufchen Elend, als sie zu uns kam. Beim ersten Gassi fiel sie aus Angst um wie ein Käfer und niemand konnte sie zum Laufen bewegen. Sie lag nur da und war starr vor Angst, vor uns, vor dem Leben. Wir trugen sie die ganze Strecke.

Nina erzählte uns, dass im Dorf gemunkelt wurde, Lili sei hinterhältiges Biest, sie würde beißen und gehöre erschossen. Ehrlich gesagt hätte ich dieses Verhalten bei ihrem bisherigen Leben sogar verstanden. Aber so haben wir sie nie kennengelernt.

Wir nahmen Lili zu uns, da für sie eine Haltung als Einzelhund nicht vorgesehen war. Sie war so verängstigt, dass sie einen Artgenossen haben sollte, an dem sie sich orientieren kann. Und, ganz ehrlich: An wem könnte man sich in Sachen Waghalsigkeit und Größenwahn ein besseres Beispiel nehmen als an Bruno?
Um es nochmal zu betonen: Lili hat bei uns nie jemanden gebissen. Sie war von Anfang an ein zuckersüßes, wenn auch sehr ängstliches kleines Wesen und wollte es uns einfach nur recht machen. Vieles von diesem Verhalten war natürlich angstmotiviert, das war uns klar.

Aber nach ein paar Monaten mit viel Ruhe, Liebe und Erdnussbutter taute Lili auf. Und blieb genauso zuckersüß, wie sie war. Bis heute.
Lili kam von Anfang an auf Rückruf. So bin ich beim Gassi jetzt diejenige, die amüsiert schauen kann, wenn der Hund des Gegenübers nicht hört. Vielleicht empfehle ich beim nächsten Mal einen Hundetrainer. Spaß. Ich weiß es besser.
Lili springt aufs Bett, damit meine Mama sich nicht bücken muss beim Geschirr-Anziehen fürs Gassi, weil Mama schon über 70 ist. Sie stellt sich nach einem Regengassi brav in den Flur, weil sie weiß, sie wird erst abgerubbelt. Sie nimmt brav jede Medizin, wenn es nötig ist. Sie wartet, bis sie dran ist, in ihrem Körbchen oder auf ihrer Decke. Von uns hat sie das nicht.

Lili ist süchtig nach allem mit Erdnuss und schaut leidenschaftlich gerne TV, am liebsten auf meiner voll aufgedrehten Wärmedecke. Egal, ob Büffeldoku auf Arte, eine Soap auf RTL oder einen Serienmarathon auf Netflix – Lili ist dabei und abends die Erste, die sich ihren Couchplatz mit Blick auf die Glotze sichert. Drinnen sein ist für sie das schönste, und ich denke, das ist ebenfalls für jeden nachvollziehbar.

Aber auch für Outdoor-Abenteuer ist sie zu haben, solange es nicht regnet und genügend Snacks eingepackt werden: Sie fährt mit uns im VW-Bus in den Urlaub, läuft mit ihren 10 Jahren und krummen Beinchen noch locker kilometerweite Hikes und findet alles super, solange sie dabei sein darf.
Bruno ist nach wie ihr großes Vorbild. So markiert sie unsere Nachbarschaft mit größerer Leidenschaft und Genauigkeit als jeder Rüde. Manchmal lässt auch sie sich mittlerweile hinreißen, sich in Aas zu wälzen oder eine Maus zu fangen. Und ich bin angeekelt und gleichzeitig stolz, dass auch sie endlich Hobbies gefunden hat.
Ich denke, es ist offensichtlich geworden, dass ich die besten Hunde habe. Und darüber freue ich mich jeden Tag.

Ebenfalls bin ich mir sicher, dass die Arche noch ein paar Kandidaten in petto hat, die die besten Hunde für euch werden können. Schaut hierzu gerne auf der Seite des Tierärztepools vorbei oder sprecht Nina und ihre Kolleg*innen an: auf die Besten!
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Dankbarkeit geht raus an die Unterstützung des Tierärztepools während des Adoptionsprozesses und weit darüber hinaus sowie an Sandra Tränkle, unsere Hundeflüsterin.