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Die Metamorphose - Ein Weihnachtsgruß

Ein Text von Thomas Busch, 1. Vorsitzender

Wer bei der Wahl seines Berufes nach über 25 Jahren sagen kann, er hat noch nie gearbeitet, der hat den Joker gezogen.

Ich kann das sagen.

25 erfüllte Jahre. 25 Jahre in denen es stetig bergauf ging. Nicht für mich, sondern für das Ziel, welches mir vor 25 Jahren in meine Seele eintätowiert wurde.

Jeder Mensch kann irgendetwas. Der eine kann singen, der andere mathematische Formeln ausrechnen, wieder einer kann kochen oder ein Flugzeug fliegen.

Ich kann nichts.

Zumindest nicht richtig, richtig gut. Ich habe kein angeborenes Talent oder eine berufliche Spezifikation. Gut, ich bin Tierarzt geworden, aber zwei Hände hätten nicht gereicht, um meiner Tätowierung gerecht zu werden. Außerdem suchte ich damals noch mein Talent oder meine Spezifikation - beides vergeblich.

Aber eins konnte ich doch: Nie aufgeben.

Dazu gesellte sich eine Eigenschaft, die mir, während ich anfing in Schmuddelecken zu schauen, geschenkt wurde: ich konnte Menschen begeistern und mitnehmen. Das war aber auch keine große Kunst, denn was sich auf Griechenlands Straßen an Leid zeigte, war unübersehbar.

So lernte ich Tage kennen, deren 24 Stunden viel zu kurz waren und Flughäfen in aller Welt. Ich lernte Diplomatie, Prügel, falsche und wahre Tierfreunde und jede Menge Menschenkenntnis.

Ich lernte, dass jeder irgendetwas kann, auch wenn es im ersten Moment so aussieht wie bei mir. Ich lernte, diese vielen verschiedenen Eigenschaften unterschiedlichster Persönlichkeiten, die mithelfen wollten, so zu bündeln, dass das Ziel dabei nie aus dem Auge gelassen wurde.

Ich lernte begnadete Chirurgen kennen, die besten Assistenten der Welt, engagierte und wirklich an der Sache interessierte Anwälte (ja, die gibt es!). Ich lernte wohlhabende Menschen kennen und weniger wohlhabende. Ich durfte mit Ausländern an einem Strang ziehen und feststellen, dass die im eigenen Land gar keine Ausländer waren. Ich versuchte alle Kräfte so zu bündeln, dass es nur einem einzigen Ziel dienlich war: Das Leid zu reduzieren. Übrigens: egal wo! Tierschutz hatte und hat für mich keine Grenzen.

Dieses Bündel bekam einen Namen: Förderverein Arche Noah Kreta e.V./Tierärztepool.

Ein Pool, sozusagen das Sammelbecken, für nachhaltigen Tierschutz, wird gefüllt von inzwischen 25 Mitarbeitern. Sie sind der Garant für das, was wir auf die Beine stellen.

Wir haben einen begnadeten Handwerker, die weltbesten Assistenten, eine gewaltige Schar von engagierten Pflegestellen, großartige Tierärzte und Sponsoren, die teilweise seit 25 Jahren dabei und mitverantwortlich für das Wachstum sind.

Wir sind ein Team, vergleichbar mit einer Familie. Bei uns wird gelacht und getanzt, gleichfalls wie geweint und getrauert. Wir lieben uns und wir streiten. Genau wie in jeder anderen Familie auch. Aber Blut ist dicker als Wasser und wenn das (bildlich gesprochen) fließt, weiß jeder wo sein Platz ist! Dann haben private Ärgernisse keinen Platz mehr, dann wird zusammengehalten, bis die Wunde geschlossen, dass Auge abgeschwollen, der Husten erloschen ist. Das macht uns aus und damit überwinden wir alle Widerstände.

Dieser familiäre Zusammenhalt wird bei den Einsätzen oft auf eine harte Probe gestellt. Die Emotionen, mental extrem belastet, müssen verarbeitet werden. Schlafmangel macht sich breit. Unbequeme Betten, tropische Hitze, Moskitos, kein regelmäßiges Essen, Nachtschichten, keine Freizeit. Das hält wirklich nur derjenige aus, der Tierschutz nicht als Floskel sieht, sondern ihn lebt. Nur der, der „Helfen“ als wichtiger ansieht, als sein eigenes Wohlbefinden, schafft die Nächte mit ausgetrockneten Welpen, mit einem zweistündigen Infusionswechsel, mit Zittern und Bangen, um am nächsten Tag mit Kastrationen hochkonzentriert dafür zu sorgen, dass die eigenen Nächte irgendwann nicht mehr durch ein klägliches Jammern unterbrochen werden.

Ich kenne diese Nächte, dieses Jammern von unendlich vielen Einsätzen, als der Tierärztepool noch nicht mal einen Namen hatte, geschweige denn Tierärzte. Deshalb weiß ich es zu schätzen, was unsere Angestellten leisten. Ein verletztes Tier wird gefunden – wir helfen. Parasitika werden benötigt – wir bestellen. Hundehütten werden gebraucht – wir kaufen. Kastrationen werden gewünscht – wir operieren. Immer und immer mehr!

Das „Immer-größer-Werden“ bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Neue Leute müssen eingearbeitet werden, sie sollten sich integrieren. Sie müssen lernen nach unseren, über viele Jahre erprobten, Prozessen zu arbeiten und sich anzupassen. Für die „alten Hasen“ ist es oft schwierig, Handgriffe, die man 1000x gemacht hat, mit Geduld denen beizubringen, die sie zum ersten Mal machen. Die Arche ist kein brüchiges Holzboot mehr mit einer Zweimannbesatzung, sondern ein Dampfer, der aber trotzdem weder Hotel noch Luxusjacht ist. Das bedeutet, dass mehr Regeln aufgestellt werden müssen, ein Begriff, den wir früher gar nicht kannten. Dafür kommt die Definition von Toleranz ins Spiel. Die familiäre Struktur, die uns ausmacht, muss unter allen Umständen erhalten bleiben, denn nur ein Zusammenhalt gewährt uns den Erfolg, den die Tiere unbedingt brauchen. Alles, was nicht zielorientiert ist, nimmt Energie, die keiner von uns im Überschuss hat. Es macht einfach keinen Sinn an anderen das zu suchen, was die nicht können, sondern das zu fördern, was die können!

Das Ziel „Tierschutz“ ist für alle Menschen gleich, aber der Weg dahin mehr als unterschiedlich. Von der fachlichen Kompetenz möchte ich hier erst gar nicht sprechen, verlange aber, dass die beim Tierärztepool extrem hoch bleibt. Demnach wird die zukünftige Herausforderung darin liegen, ein Team zu führen, welches vielfältiger ist, welches immer größer wird und welches auf die privaten Animositäten der anderen Rücksicht nimmt, ohne das Zeil des nachhaltigen Tierschutzes aus den Augen zu verlieren.

Ja, früher war alles kleiner, privater und noch weit familiärer als heute. In den Anfängen kastrierten wir unter absoluter Höchstanstrengung 1000 Tiere pro Jahr. Das Niveau war, unter den gegebenen Umständen, ohne Gefahr für den Patienten ausreichend, aber nicht ansatzweise vergleichbar mit der Ausstattung, auf die wir heute Zugriff haben. Dieses Jahr operierten wir über 21.000 Tiere.

Ich habe keine Angst vor diesem „Immer-größer- werden“, denn ich weiß, ich kann das. ABER NUR MIT EUCH!

Mit dem besten Team auf Erden, meiner Großfamilie - für all die, die völlig unschuldig unsere Hilfe brauchen.

Frohe Weihnachten

Th.