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Die wahren Probleme

Ein Text von Miriam Klann, Tiermedizinstudentin


Bei jeder Kastrationsaktion gibt es vielerlei  Schwierigkeiten die es zu überwinden gilt. Unkooperative Katzen umsetzen, Sprachbarrieren überwinden, schwere Hunde auf den OP-Tisch hieven, ängstlich/bissige Patienten zähmen, den Überblick über die Katzenboxen nicht verlieren und so weiter... Für mich ist allerdings der Gang durch die vollen Tierheime mit Abstand die größte Herausforderung. An jeder Ecke aufgeregte Hunde die hysterisch bellen, sich an den Gittern hochziehen, ihre Köpfe durch jede noch so kleine Lücke im Zaun stecken, nur um einen kleinen Moment Aufmerksamkeit zu erhaschen. Sie verzehren sich danach, ein einziges Mal an der ausgestreckten Hand zu schlecken, vielleicht sogar eine kleine Streicheleinheit abzustauben. Bleibt man stehen, um sich dem Geschehen hinzugeben, sind dort all die Augen. Sehnsüchtige, erwartungsvolle, wunderschöne Augen voller Freude, die zu einem heraufblicken. Und nun?
Das fröhliche Bellen über die kurze liebevolle Berührung schlägt in trauriges Gejaule um, wenn man den Rückweg in den OP antritt. Es schmerzt jedes Mal in jeder Faser meines Körpers. Ich hüte mich davor über meine Schulter zurück zu blicken. Es auszuhalten, wenn aus den freudigen Augen weinende werden (die der Hunde und manchmal auch meine eigenen), das ist die schwerste Aufgabe und mit Abstand die größte Herausforderung. Gegen das Gefühl der Machtlosigkeit ankämpfen, hinnehmen, dass einige dieser Seelen vermutlich ihr gesamtes Leben hinter Gittern oder an der Kette verbingen werden, zuzusehen wie sich hübsche, freundliche Welpen in den Tierheimen stapeln die einfach niemand sieht... - das sind die wahren Schwierigkeiten, mit denen wir ständig konfrontiert werden. Am Ende bleibt nur die kontinuierliche, flächendeckende Kastration als roter Faden an den wir uns klammern können. In der tiefen Hoffnung, dass die Straßen und die Tierheime eines Tages leer sein werden und es nur noch fröhliche Hundeaugen geben wird.
Eure Miriam