Floki
Ein Bericht von Ramona Walser
Solche Nachrichten ziehen uns alle vom Tierärztepool weit nach unten. Wir fragen uns völlig frustriert, warum so etwas immer noch passiert und warum wir von morgens bis abends versuchen zu retten, was zu retten ist.
Aber nach der Trauer kommt die Wut und durch die Wut entwickelt sich der Ehrgeiz. Und dieser Ehrgeiz motiviert uns. Damals, jetzt und morgen.Wir werden es nicht zulassen, dass Menschen ohne jegliches Mitgefühl die Oberhand gewinnen. Wir machen weiter, vergrößern unser Umfeld, werden nicht müde, Erwachsene und Kinder in unseren Bann zu ziehen um ihnen zu erklären, dass Tiere die gleichen Empfindungen haben wie wir.
Wir werden kastrieren bis unsere Hände bluten, damit keine Tiere mehr stören und „überflüssig“ sind. Wir werden weiterhin vorbildlich vorangehen und wir sind sicher, dass unsere Spur immer größer wird. Früher, heute und in Zukunft.
Gehen Sie mit uns? Wir können jede Hilfe gebrauchen, um gegen diese Scheusale zu gewinnen.
Lieber Floki,
als du damals zu uns in den Klinikraum auf den Kapverden kamst, war sich keiner sicher, ob du je wieder laufen können würdest. Deine Vorderbeine waren durch einen schrecklichen Unfall bis auf den Knochen verletzt. Die Wunden sahen so unendlich schmerzhaft aus, aber du warst tapfer! Nach stundenlangem Säubern deiner Beine und einer intensiven OP lagst du auf deiner Decke zum Aufwachen.
Die Frau, die dich zu uns brachte, erzählte uns deine Geschichte. In der vorherigen Nacht wurdest du in einen schweren Autounfall verwickelt und musstest die ganze Nacht und den darauffolgenden Tag bis zum Nachmittag mit diesen Schmerzen ausharren. Viele Leute gingen während dieser Zeit einfach an dir vorbei und haben dich in dem Dreck auf der Straße übersehen. Alle, bis auf diese eine Frau aus Schweden, die dich bemerkte und sofort den Ernst der Lage erkannte. Dank ihr wurdest du zu uns gebracht und bekamst eine Chance. Aus Dank waren deine ersten Verbände in den Farben der schwedischen Flagge, blau-gelb, gehalten und dein Name, den wir dir gaben, hatte eine nordische Bedeutung.
Marga, die operierende Tierärztin vom Tierärztepool und ich waren so stolz und glücklich, als wir deine ersten Laufversuche beobachten durften und unsere Hoffnung stieg.
Was nun folgte, war der noch herausforderndere Teil. Deine Wunden benötigten intensive Betreuung und tägliche Pflege, daher wurdest du ab dem Zeitpunkt unser ständiger Begleiter. Bei uns zu Hause wechselten wir regelmäßig deine Verbände und du warst jedes Mal so unendlich geduldig. Nie hast du auch nur ein Zeichen von Schmerzen gezeigt und uns diese Prozedur ganz brav machen lassen. Solch ein Verhalten hatte ich bis zu dem Zeitpunkt noch nie gesehen, dein Vertrauen war einfach überwältigend. Tag für Tag verheilten deine Wunden besser und deine Gehversuche wurden immer erfolgreicher. So vergingen mehr als drei Wochen intensiver Betreuung und unsere Beziehung wurde immer enger und liebevoller. Du hast uns jeden Tag in die Klinik begleitet und abends bist du wieder mit uns heim gekommen. In dieser Zeit hab ich mich so sehr in dich verliebt und du wurdest zu meinem ersten Herzenshund-Patienten.
Der Tag unserer Abreise näherte sich und wir mussten eine Lösung für dich finden. Deine Beine waren in einem guten Zustand und es sah vielversprechend aus, dass sie vollkommen ausheilen würden. Trotzdem war es für uns keine Option, dich zurück auf die Straße oder in ein Tierheim zu geben. Wir wollten jemanden finden, der dich und dein Wesen schätzt und liebt. Nach Deutschland konnten wir dich nicht vermitteln, da der Prozess von den Kapverden aus sehr langwierig und kompliziert ist.
Und wieder hattest du einen Schutzengel, der sich sofort in dich verliebte. Bella war diesmal ihr Name, die vor nicht allzu langer Zeit einen kleinen Welpen - Luna - aufpäppelte und adoptierte. Luna und Bella nahmen dich sofort liebevoll auf und wir konnten dich mit gutem Gewissen gesund bei deiner neuen Familie lassen. Die vielen Fotos und Videos, die Bella uns schickte, ließen stets einen unfassbar lebensfrohen Hund in seinem neuen Zuhause erkennen.
Vor ein paar Wochen dann die Hiobsbotschaft. Bella berichtete uns, dass du einen Giftköder gefressen hast und an den schrecklichen Folgen gestorben bist.
Lieber Floki, als ich das hörte, verstand ich die Welt nicht mehr. Mein "Floki-Bär" tot? Wer tut sowas? Und du warst nicht der Einzige, der diesem Anschlag zum Opfer fiel. In den darauffolgenden Tagen wurden mehr als 15 Hunde, meist Straßenhunde ohne Familie, gezielt vergiftet. Alle Hunde in deiner Nachbarschaft erlitten dasselbe Schicksal.
Lieber Floki, ich verstehe die Welt nicht mehr! Wieso du und wieso all die anderen? Trotz meines Entsetzens bin ich einmal mehr dankbar um diese Menschen einerseits im Verein und andererseits wie Bella, die sich jede und jeder auf seine Art und mit ihren Möglichkeiten für das Tierwohl einsetzen. Sodass du, wenn auch viel zu kurz, ein Leben bekamst, von welchem andere Straßenhunde nur träumen können. Danke, dass du deine zweite Chance genutzt hast- danke für alles lieber Floki. Danke, dass ich so viel von dir lernen durfte. Danke, dass du mir meinen damaligen Einsatz auf den Kapverden so viel schöner gestaltet hast, alleine mit deiner Anwesenheit. Danke, dass ich dich kennenlernen durfte. Floki - ich werde dich nie vergessen!
Deine Ramona