Katzenkinder - geboren auf der Straße
Sie warteten ungeduldig auf ihre geliebte Mama. „Geliebt“ ist vielleicht bei Katzenkindern das falsche Wort, wer aber schon einmal das Glück hatte, zu beobachten, wie zärtlich eine Tiermutter mit ihren Kleinen umgeht oder wie freudig die Kleinen auf ihr Zurückkommen reagieren, der weiß, dass das Wort nicht sooo falsch sein kann.
Es waren drei Katzenbabys, die furchtbaren Hunger hatten. Wo blieb die Mama nur? Sie war doch sonst nicht so lange weg. Und die drei wussten instinktiv, dass ihre Mutter sie nie im Stich lassen würde. Irgendetwas stimmt an diesem heutigen Tag nicht. Nach einer weiteren einsamen Nacht, nahmen sie ihren ganzen Mut zusammen und verließen, getrieben von Hunger und Sehnsucht, ihr Nest. Es fiel ihnen schwer, die Vertrautheit mit all dem weichen, kuscheligen Lager zu verlassen. Ein letztes Mal atmeten sie den noch gebliebenen Geruch der Mutter ein und marschierten los. Steinig und unwegsam war ihr Weg, denn sie hatten erst seit Kurzem die Augen geöffnet und konnten nur Umrisse erkennen. Auch der Katzenschnupfen trug dazu bei, sich mehr tastend, als laufend, fortzubewegen. Kaum ein paar Meter weit gekommen, fanden sie ihre Mama. Sie roch noch so, wie sie sie kannten und für einen winzigen Moment fühlten sie sich geborgen. Aber als sie sich an sie kuscheln wollten, bemerkten sie, dass sie regungslos blieb und ihr Körper entsetzlich kalt war. Ein Auto musste sie auf dem Weg zur Hafeneinfahrt erfasst haben. Sie wussten nicht, was sie machen sollten. Panik kam in ihnen hoch. Wer sollte sich nun um sie kümmern? Woher bekamen sie Milch? Was sollten sie bloß tun?
Und zu diesem Schock gesellte sich das Verschwinden des Bruders hinzu. Egal wie laut die zwei übrig gebliebenen auch miauten, sie blieben allein. Mutterseelenallein.
Eine deutsche Touristin; Tierarzthelferin und Taucherin bekam mit, dass es in ihrer Nähe Katzenbabys gab, die entsetzlich nach ihrer Mama miauten.
Als sie eintraf, entdeckte sie, dass eines ins Hafenbecken gefallen und ertrunken war.
Auf dem Weg zu uns verliert ein weiteres den Lebenswillen. Alle Reanimationsversuche von mir sind vergebens. Ich bekomme den Zwerg nicht wieder zurück ins Hier und Jetzt.
Meine Verzweiflung schlucke ich hinunter, meine Trauer ersticke ich in dem Willen, zumindest das letzte der kleinen Familie retten zu können. Aber bei einer Untertemperatur von 32 Grad…
Katzenmilch, Wärmflaschen und die Nähe zu meiner Helferin Lisa, die sich rührend dem Kleinen annimmt - werden nicht mit einem Happy End belohnt.
20 Stunden später um sechs Uhr morgens stirbt der letzte Katzenwelpe und die Familie ist ausgelöscht.
Lisas Trauer ist ihr ins Gesicht geschrieben und wie gerne würde ich ihr diese Verzweiflung abnehmen und diese Ungerechtigkeit, die diese kleine Katzenfamilie durchleben musste, ungeschehen machen. Und während sich dieses Gedankenkarussell in meinem Kopf immer und immer wieder dreht, legt mir Sabrina die erste Katze an diesem Morgen zur Kastration auf den Tisch…
In Gedenken an euch - wir machen so lange weiter, bis dieses Leid ein Ende nimmt!
Eure Melanie