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Isabell

Ein Bericht von Lisa Holl | Assistentin

Liebe Isabell,
Dein Tod ist schon etwas länger her und trotzdem spazierst du regelmäßig durch meinen Kopf. Deshalb möchte ich Dir ein paar Worte widmen.

Der Einsatz auf Kreta verschwimmt schon in der Vergangenheit, bei dem Du uns zur Kastration gebracht wurdest. Als wir Dich untersuchten, wurde schnell klar, dass Du weitaus mehr Hilfe von uns brauchtest als nur eine Operation. Dein kleiner, bereits ausgezehrter Körper, kämpfte gegen die Parvovirose. Eine sehr ernstzunehmende, extrem ansteckende Infektionskrankheit, die ohne engmaschige medizinische Betreuung meist tödlich endet. Ohne uns hättest Du keine Chance und so bezogst Du eine Krankenbox in unserer Quarantänestation.

Die Tage und Nächte waren geprägt von Dauerinfusionen, regelmäßiger Medikamentengabe und geduldiger Zufütterung Deines dürren Körpers. Um Dich betreuen zu können, mussten wir permanent unsere Kleidung wechseln, strenge Hygienemaßnahmen einhalten und uns desinfizieren.
Wir kämpften gemeinsam.

Deine liebevollen Augen gaben mir Mut, ließen mich durchhalten. Du warst nur noch Haut und Knochen. Doch jedes Mal, wenn ich zu deiner Box kam, bemühtest Du Dich, mich zu begrüßen und ließest alles sehr tapfer über dich ergehen.

Du hattest so einen Lebenswillen und eine Liebe, die du ausstrahltest, wir mochten dich nicht aufgeben. Isabell und Corinna - zwei Praktikantinnen unseres Teams - unterstützten uns. So waren wir mindestens vier gegen einen. Wir gegen das Virus.

Wir sprachen viel über Deine Chancen, überlegten und grübelten bis in die Nacht. Wir wollten Dir keine Möglichkeit nehmen und genauso wenig, dass Du leidest. Wir alle hatten Geschichten im Kopf, Geschichten wie Deine oder schlimmere - aber Geschichten mit einem Happy End.
Also konntest auch Du das schaffen! Du genossest jede Berührung und jede Aufmerksamkeit und inzwischen hattest Du sogar wieder Appetit, aßest allein - wenn wir bei Dir waren. Aufatmen.
Es schien, als hätte sich alles gelohnt. Und das Beste: Für Dich gab es bereits eine Pflegestelle in Deutschland. Dein Ticket in ein besseres Leben war fast schon besiegelt. Wir waren müde. Verbrachten unsere Nächte bei dir, wir gaben nicht auf!

Doch plötzlich ging alles ganz schnell. Ein Rückschlag. Du mochtest nicht mehr essen und bautest plötzlich wieder ab. Doch warum? Alles sah so gut aus, so hoffnungsvoll. Und trotzdem bist du fort...
Ein Tod wie Deiner wird wohl nie einen Sinn haben. Wie so oft...
Wir müssen uns daran festhalten, dass wir Dir zeigen durften, wie es ist, geliebt zu werden und dass Du nicht allein kämpfen musstest. Wir haben verloren. Leider gehört das wohl dazu. Doch für uns bleibt mehr als nur ein Grabstein mit Deinem Namen...

So nehme ich Dich und viele andere im Herzen mit und weiß, wieso wir täglich so viele Stunden am OP-Tisch stehen.

Deine Lisa