Skip to main content Skip to page footer

Weihnachtspost von Marla

Ein Bericht von Dr. Melanie Stehle | Tierärztin

Gerührt öffnete ich vor Weihnachten ein Päckchen. Es kam von Marla, meiner ehemaligen Pflegehündin und ihrem Frauchen. Als ich den Brief in Marlas Worten las, kamen all die Erinnerungen empor, all die Gefühle von damals, die die ganze Palette an Empfindungen durchliefen.
Alles begann im November vor vier Jahren, einem kalten Tag inmitten unserer Kastrationsaktion in Nordgriechenland. Müde saßen wir im Auto, die vergangenen Tage hatten es bereits in sich und die ersten Anzeichen von Müdigkeit konnten wir nicht mehr leugnen. Dennoch scanne ich automatisch die Straßenränder nach verletzten Tieren ab. Die Straße zwischen den Einsatzorten war bereits berühmt-berüchtigt für viele Straßenhunde, die dort ihr Leben verloren. Eine lange Landstraße mit vielen Lastwagen, einigen Haltebuchten, an denen Hunde gerne entsorgt werden oder sie im Winter einfach generell dort nach Futter suchen.

Immer wieder halten wir an - doch bisher kam jede Hilfe zu spät. Auch an Marla fuhren wir langsam vorbei, sie bewegte sich nicht. Ein inneres Gefühl zwang mich, trotzdem nach ihr zu sehen und den sicheren Tod festzustellen. Wir drehten um, parkten und ich rannte zum leblosen Körper. Dann geschah das, was ich nicht zu hoffen gewagt hatte: Sie hob vorsichtig ihren Kopf. „Um Himmels willen, sie lebt noch“, rief ich meinem Team zu. „Schnell, wir müssen sie sichern und ihren Zustand stabilisieren“.

Vorsichtig nehme ich sie hoch, sie winselt vor Schmerzen. Sie ist kalt, der Schock sitzt tief. Wir fahren bis zur nächsten Querstraße und die Notversorgung beginnt. Innerhalb weniger Momente sitzt der Venenkatheter, die Infusion läuft in Schockgeschwindigkeit. Schmerzmittel und Antibiotikum werden wie im Automatismus verabreicht. Decken sorgen für Wärme, leises gutes Zureden für Beruhigung. Wir haben funktioniert, als Team, als Menschen, als Tierschützer.

Kurzum: Marla hatte beide Vordergliedmaßen mehrfach gebrochen. Bravourös meisterte sie die notwendigen Operationen, hielt so lange still, bis alle Brüche verheilt waren. Aber was bedeuten schon Monate der Entbehrung, wenn danach der Himmel auf Erden beginnt? Und so kam es, wie es kommen sollte: Marla durfte zu Familie Schroeder ins wunderschöne Deggenhausertal ziehen. Einen perfekteren Platz hätte Marla nicht finden können. Physiotherapie und angepasstes Training ermöglichten das, was wir uns für die zauberhafte Marla wünschten. All die Sorgen und Stunden der Unsicherheit, ob wir den richtigen Weg gehen, wurden mit Marlas Unbeschwertheit umgehend ausgelöscht. Eines war klar, vom ersten Moment an - sie wollte leben! Und zwar als ungestümer Büffel mit vollem Temperament! Dies zeigte sie uns jeden Tag. In der Hundeschule galt sie als Streberin, die Gipfelkreuze der Alpen sind ihre Trophäen und als Seelenhündin ist sie aus Bettinas Familie nicht mehr wegzudenken. Marla, ich danke Dir von Herzen für Dein Vertrauen in uns. Und Dir, liebe Bettina, dass Du ihr dieses Leben schenkst, das ich ihr damals in schweren Stunden versprochen hatte. Dafür danke ich Dir aus tiefstem Herzen,

Eure Melanie

Fotos von Gaedingur Photography