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Nathan im Glück

Ein Bericht von Dr. Melanie Stehle, Tierärztin

Nathan, die Nase... Nathaniel... Ohrenbär... Rüsselchen... Schniefel... nach gerade einmal 10 Wochen hat dieser Hund schon ein beachtliches Repertoire an Spitznamen...

Eigentlich sollte es ja ein kleiner Hund werden. Aber wie so oft im Leben, bekommt man eben nicht immer das, was man will. Wie gesagt, ein kleiner Hund sollte es werden, für meine Mutter, deren Hündin vor kurzem hochbetagt verstorben war. Abgesehen von der Größe schien Nathan ansonsten ideal. Älter, ruhig. Also: gesagt, getan, er trat die Reise in den hohen Norden an. Aber um ehrlich zu sein, ich unterschätzte, dass manchmal alte Menschen wie alte Hunde ihre festen Gewohnheiten haben, die eben nicht unbedingt immer kompatibel sind. So standen wir nach einigen Tagen da und mussten uns eingestehen, dass der Versuch gescheitert war. Natürlich hatten wir gewusst, dass es erstmal ein Versuch war, wir hatten auch die Option besprochen, dass Nathan dahin zurückgehen könnte, wo er nun schon seit einem Jahr lebte.

Das wäre auch vernünftig, denn wir selber haben bereits 5 Hunde - 1 davon schwierig, 2 quasi mit Pflegestufe. Aber nun ist es ja so eine Sache mit der Vernunft... Um nochmal ehrlich zu sein, ich hatte mich, als ich Nathan zum ersten Mal sah, nach gefühlt 10 Sekunden in seine Ohren verliebt. Unsterblich, versteht sich. Und in seine Nase, die mich stark an meinen Lieblingssesamstraßenbewohner Herrn von Bödefeld erinnerte, wenn er sie hoch reckte. Und dann schien es plötzlich gar nicht so abwegig, dass wo für 5 Hunde Platz ist, ein 6. ja eigentlich gar nicht mehr so auffällt.

Und Freizeit wird doch ohnehin überbewertet. Also blieb Nathan. Als 6. Hund und 39. tierischer Mitbewohner insgesamt. Die ersten Tage erforderten viel Geduld und Organisationstalent, um Nathan erstmal von allen anderen zu trennen, bis wir wussten, was er von Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen, Tauben und Schafen hält - und von einer an Selbstüberschätzung leidenden Gans, die sich mit jedem Hund zu messen pflegt. Aber mit Zeit und Geduld lernten wir einander kennen und respektieren und das gemeinsame Leben lief immer problemloser.


Ich glaube, er findet es durchaus akzeptabel, bei uns zu leben. Aber trotzdem hat er gewiss nicht die Absicht, nachsichtig mit uns zu sein, wenn wir gegen seine Regeln verstoßen. Und so kam es auch hier schnell zu kleinen und größeren Disputen; etwas nehmen zu wollen, was er für potenziell essbar hielt, bezahlten auch wir mit Blessuren. Aber ansonsten? Alles prima. Nathan ist nun dritter im Hundeseniorenmännerkreis, der an sonnigen Tagen hauptsächlich im kühlen Gras des großen Grundstücks schläft und nur gelegentlich in den Schatten wechselt - der aufmüpfige Nachwuchs wird nebenbei konsequent in die Schranken gewiesen. Und wenn er durchaus auch gerne mal eigene Wege geht, so ist er trotzdem immer zur Stelle, wenn wir etwas tun, um dieses Tun auch zu kontrollieren, denn seiner Meinung nach hatte er ja nun mal diese großartige Nase, um sie überall hineinzustecken. Und wenn er mit erstaunlicher Geschwindigkeit und wehenden Ohren gerannt kommt, dann lacht er über das ganze, ergraute Opi-Gesicht.

Und dann hoffen wir, dass er weiß, was wir eigentlich von der ersten Sekunde wussten: Dass hier unwiderruflich sein Platz, seine Familie, sein Zuhause ist - und dass nichts daran etwas ändern wird.

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