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Kapverden - Sal Dezember 2015

Ein Bericht von Dr. Marga Keyl, Tierärztin

Tubsy. Wer schon einmal auf Sal Urlaub gemacht hat und sich ein bisschen mit den Hunden dort auskennt, dem ist Tubsy ein Begriff. Tubsy lebt am Strand vom RIU Hotel und ist eine sehr scheue und sehr clevere Hundedame, die dreimal im Jahr Welpen bekommt, jedes Mal neun bis zehn Stück. Viele, viele Menschen haben in den letzten Jahren versucht, Tubsy einzufangen, um sie endlich kastrieren zu lassen. Es wurde versucht, ihr Vertrauen mit Futter zu erschleichen, ihr wurde Beruhigungsmittel ins Futter gemischt, sie wurde mit dem Blasrohr sediert - aber Tubsy interessierte das alles wenig. Sie hat es immer wieder geschafft, das Weite zu suchen. Ihre Welpen sind über ganz Europa verteilt. Nachdem wir in Praia gesehen hatten, wie die Jungs von Bons Amigos die Hunde einfangen, war mir eines klar: Wenn irgendjemand Tubsy fangen kann, dann sie.

Am 14.11. machten wir uns also auf zum Flughafen: meine portugiesische Kollegin Veronica Cabral, die bei der Sal-Aktion nun endlich auch zum Kastrieren kommen sollte, Madueno und Gilson, bewaffnet mit zwei großen Netzen, und ich. Schon nach dem Einchecken hatte ich eigentlich genug, die kapverdische Fluggesellschaft ist nicht unbedingt für ihre Flexibilität bekannt. Natürlich hatten wir Übergepäck, da in der kleinen Propellermaschine, die uns nach Sal bringen sollte, nur 15 kg pro Person erlaubt sind. Da wurde auch kein Auge zugedrückt, es wurde gnadenlos jedes einzelne Kilo berechnet. Gut, ließ sich nicht ändern, also zahlten wir. Dann waren da aber noch die Netze. "Die könnt ihr nicht mitnehmen, der Sperrgepäcksschalter hat geschlossen." Ich sah in Gedanken Tubsy schon mit weiteren zehn Welpen am RIU Strand liegen.

Der Boss war dann aber sehr nett und sorgte dafür, dass wir die Netze doch mitnehmen konnten. Als die Dame am Check-In diese jedoch auf die Waage stellte und uns noch mal mit einer Rechnung für 4 kg Übergepäck zum Bezahlen schickte (nachdem wir soeben 100 Euro gezahlt hatten), fiel ich fast vom Glauben ab. Mit 1,5 Stunden Verspätung flogen wir dann endlich los (das ist normal auf den Kapverden) und kamen sogar mit sämtlichem Gepäck auf Sal an (das wiederum ist nicht normal auf den Kapverden).

Es erstaunt mich immer wieder, wie man sich in wenigen Tagen emotional so an einen Hund binden kann. Jeden Tag und mit jeder Spritze steigt die Hoffnung, dass der Zustand des Hundes sich verbessert. Umso größer ist dann die Enttäuschung, wenn dies nicht der Fall ist. Dann nach einer Woche Kampf noch die Objektivität zu besitzen, das Tier zu erlösen, das ist eine der größten Herausforderungen.

Vom Flughafen ging es direkt nach Santa Maria in die Klinik, um alles für den nächsten Tag vorzubereiten. Es war schön, die ganzen bekannten Gesichter nach neun Monaten Abwesenheit wiederzusehen. Santa Maria ist der Vorzeigeort für den Erfolg von Kastrationsaktionen. Seit vielen Jahren ist der Tierärztepool hier aktiv, und das sieht man auf den ersten Blick. Es gibt natürlich Straßenhunde, von denen die meisten allerdings schon kastriert sind und dementsprechend wohlgenährt und gepflegt aussehen. Ich unterhielt mich mit einem Deutschen, der seit 12 Jahren in Santa Maria lebt. Er konnte mir den Unterschied beschreiben. Das Straßenbild damals war geprägt von sehr vielen dürren, räudigen Hunden. Das hat sich deutlich geändert. So konnten sich Madueno und Gilson gezielt auf die wenigen unkastrierten Hunde konzentrieren, an die bisher keiner herangekommen war. Schon am ersten Tag kamen sie mit "the white dog" im Netz an, ebenfalls ein Hund, der dreimal im Jahr Würfe mit neun bis zehn Welpen hatte. Und: Sie war schon wieder trächtig, im Frühstadium - wieder neun.

Am Abend fuhren die Jungs mit Catarina zum RIU beach, um zu gucken, ob Tubsy da ist. War sie, allerdings blieb das Auto im Sand stecken und so musste die Jagd vertagt werden. Am nächsten Morgen, während Veronica und ich die ersten Hunde operierten, machten sich die Jungs wieder zum Strand auf. Als sie später in die Klinik kamen und erzählten, dass es leider unmöglich sei, diesen Hund zu fangen - sie sei einfach zu clever - glaubte ich es ihnen fast. Dann aber machte sich ein Grinsen auf Maduenos Gesicht breit und die Box wurde hereingetragen. Zitat Gilson: "Ich weiß gar nicht, wo das Problem ist, wir haben keine fünf Minuten gebraucht, um sie einzufangen. Das war ganz einfach!" Dafür liebe ich diese Jungs. Allein mit der Kastration von "the white dog" und Tubsy wird es in Santa Maria pro Jahr 50-60 Welpen weniger geben. 50-60 Hunde weniger, für die ein Zuhause gefunden werden muss, denn am Strand können sie nicht bleiben. Keine Anrufe mehr vom RIU Hotel: "Könnt ihr bitte die Welpen von Tubsy vom Strand abholen?" Am Abend erschien Hanna mit Torte und Sekt und wir feierten die lang ersehnte Tubsy-Party, stilecht auf dem OP-Tisch.

Einen wirklich schwierigen Einsatz, der ihnen das Äußerste abverlangte, hatten Madueno und Gilson dann aber noch vor den Toren von Santa Maria. Dort in der Wüste lebt ein Rudel von Wildhunden. Mit ihren Netzen bewaffnet, machten sie sich auf den Weg und kamen nach einer wilden Jagd völlig versandet und außer Atem mit der Alpha-Hündin und einem Rüden (ebenfalls sehr sandig) wieder. Madueno hatte dabei sogar seine Schuhe in einem Matschloch verloren. Ein weiterer Rüde vom Strand hatte Gilson beim ersten Versuch, ihn einzufangen, gebissen und konnte entkommen. Aber das spornte die Jungs nur noch mehr an, und zwei Tage später war er im Netz. Nun läuft er statt mit einem "NL" (new life) Tattoo mit einem "G" unterm Bauch herum, das hat Gilson Genugtuung verschafft. Neben den Kastrationen hatten wir wie immer viele andere Operationen zu bewerkstelligen. Ein alter Bekannter wurde wieder vorgestellt: der Hund vom Militär, dem ich im Januar diverse gestielte Tumoren vom Rand des Augenlides entfernt hatte. Das Augenlid sah gut aus, leider hatte sich aber jetzt im Auge ein großer Tumor gebildet, der den gesamten Augapfel verdrängt hatte und mir keine andere Wahl ließ, als das Auge zu entfernen. Es ist immer wieder fantastisch mit anzusehen, wie sich diese gestandenen Männer in Uniform so rührend um "ihren" Hund kümmern. Alle Nachsorgetermine wurden eingehalten und so heilte die Augenhöhle schnell ab.

Einem anderen Hund war der Schwanz abgehackt worden. Das ist wohl leider immer noch die "einfachste" Methode, seinem Hund zu einem kupierten Schwanz zu verhelfen. Gott sei Dank hatten Tierschützer ihn gefunden und zu uns gebracht. So konnte ich den kleinen Rest, der noch übrig war, vernünftig amputieren, so dass alles verheilen konnte. Neben mir steht Veronica und wundert sich, wie ich drei Hunde kastrieren kann, während sie gerade einen schafft. Genauso habe ich mich vor nicht einmal zwei Jahren gefühlt, als ich neben Ines stand und gerade angefangen hatte zu operieren. "Wie macht die das nur, das sieht alles so einfach aus..."

Am Abend zeigt Veronica mir ihre geschwollenen Hände, und auch das weckt Erinnerungen. Ein Gefühl von Dankbarkeit und auch ein bisschen Stolz kommt auf, dass ich die Möglichkeit hatte, diese Ausbildung durchlaufen zu können. Noch vor neun Monaten hatte ich hier auf Sal gestanden, aufgeregt bei meinem ersten alleinigen Kastrationseinsatz, und nun gebe ich mein Wissen und meine Erfahrung an meine Kollegin weiter. Madueno und Gilson waren nicht nur beim Hundefangen einsame Spitze, sie schafften es auch, etliche Besitzer von Privathunden von der Notwendigkeit der Kastration zu überzeugen. Es ist eben doch etwas anderes, wenn ein "local" einem "local" etwas erklärt. Ein junger Mann kam mit einer Hündin und einem kranken Rüden in die Klinik. Dieser hatte hohes Fieber und wurde daher von mir behandelt. Seine Hündin wollte der Mann aber nicht kastrieren lassen. Daraufhin zählte Madueno ihm alles von Mammatumoren bis Gebärmutterentzündung, von Welpen und Geburtsstörungen bis zu sexuell übertragbaren Tumoren auf. Der Mann ging, kam fünf Minuten später mit der Hündin zurückgeeilt, drückte sie Madueno in die Hand und sagte: "Bitte kastriert sie". Das Grinsen konnte ich mir nicht verkneifen. Dies zeigt wieder einmal, dass die Aufklärung der Bevölkerung ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist. So kamen einen Tag lang verschiedene Schulklassen in unsere Klinik in Santa Maria. Jedes Kind bekam einen Zettel, auf dem bildlich dargestellt war, warum es wichtig ist, sich um sein Tier zu kümmern und es kastrieren zu lassen. Dann durften auch alle in kleinen Gruppen mal zum OP-Tisch gucken und Veronica erklärte ihnen, was genau wir dort taten.

Ein ganz besonderes Tier entwischte uns leider. Bei Vicky im Garten leben ein paar Katzen, die meisten davon hat sie einfangen können. Einen Kater hatte sie in der Box, die aber leider kaputt war. So sah ich ihn nur von weitem ausbrechen. Damit war das Vertrauensverhältnis natürlich erst mal vorbei, und wir konnten nicht mehr an ihn herankommen. Einige Tage später sah ich ihn bei Vicky vor dem Haus und fragte; "Ist das der Kater, der entwischt ist?" "Ja, warum?" "Na ja, ist dir mal aufgefallen, dass der dreifarbig ist?" "Oh, jetzt wo du's sagst..." Dreifarbige Kater sind nicht überlebensfähig, eine Sache der Genetik. Aber ganz, ganz selten schafft es doch mal einer, und so ein Exemplar hatten wir hier tatsächlich vor uns. Na ja Tomcat, das nächste Mal bist du dran...
Nachdem die Jungs in Santa Maria keine unkastrierten Hunde mehr finden konnten (und sich leider einige Privat-Hundebesitzer nach wie vor nicht zur Kastration ihrer Hunde überreden lassen wollten), ging es für ein paar Tage nach Palmeira, einem kleinen Ort im Westen der Insel. Hier gibt es keine Touristen, die Einheimischen haben nicht viel Geld. Dementsprechend wurde unsere Aktion dankbar angenommen. Unsere beiden Jungs waren am Vortag bereits wieder nach Praia geflogen, denn auch dort wartete viel Arbeit. So half uns Sandro aus Palmeira beim Einfangen der Hunde, begleitet von einer Horde von Kindern, die die Hunde in eine bestimmte Richtung trieben. Am Ende wartete dann Sandro mit dem Netz. Auch Birgit aus Hamburg, die mit ihrem Lebensgefährten auf Sal überwintert, half fleißig mit und brachte uns einige Hunde von der Straße. Sie traf noch zwei weitere, in Palmeira wohnende Hamburger, die uns einige Katzen zur Kastration brachten. So viele Hamburger auf einmal, da habe ich mich fast wie zuhause gefühlt.

Natürlich blieben aber auch die Schicksalsschläge nicht aus. Autounfälle sind leider an der Tagesordnung. Wir wurden auf einen Hund aufmerksam gemacht, der seit einer Woche (!) in Espargos am Straßenrand lag. Jemand brachte ihm Futter und Wasser, fressen wollte er jedoch nicht. Nachdem wir ihn in der Klinik untersucht hatten, stellten wir fest, dass er hinten nicht stehen konnte. Ein Wirbelsäulentrauma. Zusätzlich hatte er ein riesengroßes Hämatom an der seitlichen Bauchwand. Durch die dadurch entstandene Mangeldurchblutung der Haut starb diese in den nächsten Tagen großflächig ab. Als er dann noch starken Durchfall entwickelte und immer noch nicht fressen wollte, wurde uns klar, dass wir diesen Kampf nicht gewinnen würden. Schweren Herzens und unter Tränen erlösten wir ihn am letzten Tag von seinen Qualen. Schon in Santa Maria hatte ein kleiner Hund ein ähnliches Schicksal erlitten. Bei der Untersuchung hatte ich sofort das "NL" Tattoo auf ihrem Bauch gesehen und wusste, die kleine Maus hab ich im Januar kastriert. Leider konnte auch sie die Hinterbeine nicht bewegen. Hinzu kam, daß sie selbständig keinen Kot und Urin absetzen konnte. Es erstaunt mich immer wieder, wie man sich in wenigen Tagen emotional so an einen Hund binden kann. Jeden Tag und mit jeder Spritze steigt die Hoffnung, dass der Zustand des Hundes sich verbessert. Umso größer ist dann die Enttäuschung, wenn dies nicht der Fall ist. Dann nach einer Woche Kampf noch die Objektivität zu besitzen, das Tier zu erlösen, das ist eine der größten Herausforderungen.

Mein besonderer Dank geht an Vicky, die eine hervorragende OP-Schwester geworden ist (dank des guten Vorjahrestrainings von Ines, Thomas und Gregor) und an Linda Aspen, die uns wie immer ihre Fotos zur Verfügung gestellt hat. Auch das RIU Hotel hat uns wieder sehr geholfen. Fünf Tage lang haben sie uns ein Zimmer zur Verfügung gestellt, danach war das Hotel leider komplett ausgebucht. Aber jeden Abend durften wir unsere hungrigen Bäuche am Buffet des Hotels füllen. Ich freue mich darauf, das gesamte Team nächstes Jahr wiederzusehen, dann sind mehrere Tage in Espargos geplant (wo wir diesmal leider keinen Raum zum Operieren finden konnten) und auch in Pedra Lume, einem kleinen Ort im Osten der Insel, wo bisher noch keine Kastrationsaktion stattgefunden hat. Wir konnten in 12 Tagen 312 Operationen durchführen, davon 278 Kastrationen (88 Hündinnen, 108 Rüden, 44 Katzen, 38 Kater) und 34 weitere Operationen.

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Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
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In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de