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Kreta - Die Fahrt in den Mai - Mai 2021

Ein Bericht von Thomas Busch, Tierarzt

Wenn sich das große Tor wie von Geisterhand geöffnet hat fährt man die lange Einfahrt ein kleines Stückchen bergab. Rechts und links stehen Olivenbäume Spalier und Agaven, Kakteen und andere, wenig Wasser brauchende Pflanzen in sauber angelegten Beeten, zeigen auf ihre ureigene Art, dass Natur- und Tierschutz nah beieinander liegen. Die Begrüßung aus Hunderten von Vogelstimmen belegen dies eindrucksvoll. Nach ungefähr 50 m teilt sich der Weg und es geht wieder bergauf. Weinreben und ein mit Blumen geschmücktes Ensemble in bunten Farben passieren wir um an einer weiteren Abzweigung den herrlichen Weg zu den Hundehäusern zu nehmen. Von der einstigen Müllhalde, die wir vor drei Jahren übernahmen, ist nichts mehr zu sehen. Zwei Feigenbäume spenden Schatten. Bougainvillen in unterschiedlichen Farben ranken an den Zäunen empor und verdecken diese mit blühender Schönheit. Die halophilen Tamarisken halten die besten Plätze für die bald in Paarung befindlichen Zikaden bereit, die dann einen fürchterlichen Lärm machen. Die Strelizie ist verblüht, aber ihre einzigartige Blüte sieht auch so noch bizarr aus. Der Hundeauslauf mit den Holzhäckseln und den vier Schatten spendenden Olivenbäumen lädt ein zur Rast.
Und schon sind wir angekommen. Nach 2500 Kilometern. In unserem NLR auf Kreta. Willkommen im Einsatz für die nächsten 14 Tage.

Ich höre auch auf, über das Pflanzenparadies zu reden, sonst glaubt der irritierte Leser noch, wir haben den Beruf gewechselt und züchten ab jetzt Orchideen. Oh nein, aber dass in diesem kleinen Paradies auch oft harte Schicksalsfragen entschieden werden müssen, wissen wir, wollen es aber nie, nie, nie an uns heranlassen. Auch heute nicht, am ersten Tag unserer Ankunft schon gar nicht.
Deshalb fange ich jetzt auch mit einem der letzten Tage an, dann verstehen Sie besser, was ich meine.

Ich stelle Ihnen einen Hund vor. Einen ganz normalen Hund. Gesund und eigentlich sind es zwei. Die Boxerakis, wie Sabrina Klüßendorf die drei getauft hat. Einer ist bereits in Deutschland, die noch verbliebenen sollen unsere Gäste bei der Rückfahrt nach Deutschland werden. Sie sind jung verspielt aber recht scheu. Ich habe eine Woche Zeit, um ihnen die Angst vor allem zu nehmen, vor allem aber vor der Rückfahrt. Das heißt Halsband, Leine, Vertrauen und die Panikattacken, wenn irgendwo ein Stuhl umfällt oder eine Tüte raschelt. Nun versuche ich jede freie Minute mit ihnen zu spielen, sie an mich zu gewöhnen, ihnen Halt zu bieten für das, was während der Rückfahrt nach Deutschland auf sie zukommen wird. Das Problem: wir verlieben uns ineinander. Es machte mir schon immer Spaß, mit Hunden zu arbeiten, aber die Zeit liess es nie zu. Jetzt nehme ich mir die Zeit und merke, wie dieses supersüße Boxermädchen immer mehr auftaut. Gleichfalls wie ihr Bruder. Wir spielen, wir toben, und merken kaum, wie sich das Band des Vertrauens immer enger um uns bindet. Ich werde traurig sein, wenn ich sie in Deutschland abgeben muss. Und sie werden traurig sein, weil sie als Geschwister getrennt werden und sich wahrscheinlich nie wieder sehen werden. Aber das ist der Preis für ein hoffentlich langes und sicheres Leben. Genau das wäre im Tierheim von Ierapetra wahrscheinlich nicht gegeben, von wo wir sie mit zu uns nahmen. Zwerge gibt es dort reichlich…

Diesen Preis habe ich schon unzählige Male gezahlt, was für Irritationen bei verschiedensten Leuten hervorruft, wenn ich sage: „ich hasse Hunde“. Nur die wenigsten Menschen verstehen, was ich damit meine.
Kommen wir nun aber zu einem anderen Hund. Einem eben nicht ganz normalen. Einem, für den wir das NLR konzipierten. Es ist Tia. Sie ist ein Mitbringsel aus Nordgriechenland, wo Melanie einen Kastrationseinsatz vor Kurzem beendete. Tia wurde vergiftet und sah bereits das Licht in weiter Ferne. Aber zu sterben, wenn Melanie ihr Stethoskop in die Hand nimmt, ist auch nicht ganz einfach und nach fünf Tagen hartem Kampf gegen dieses verdammte Licht, hatte Melanie gewonnen. Nun war bis zu ihrer Abreise Tia´s Zustand aber noch nicht komplett hergestellt und Antonia (die 300 km von dort arbeitete) brach auf zu einem Einsatz nach Kreta. Wie und auf welchem Wege Tia ins NLR fand, erwähne ich hier nicht, es würde den Bericht sprengen. Aber nun ist sie hier, freut sich tierisch, Melanie wiederzusehen und weicht ihr ab diesem Zeitpunkt nicht mehr von der Seite. Pelle Papandakis betrachtet das skeptisch, denn Pelle lebt seit einem Jahr bei uns und glaubte bis vor kurzem, dass er unsere Liebe ungeteilt genießen kann. Dass sich ein Terriermädchen aus dem Norden Griechenlands dazwischen schiebt, kann er ja noch in gewisser Weise nachvollziehen. Zumal sie auch wirklich süß ist und ziemlich gut riecht. Aber die Katze? Frauchen, das geht wirklich ein bisschen zu weit! Sira. Jung und unvorsichtig. Dann der Unfall. Was übrig blieb, war kaum noch als Katze zu erkennen. Wieder dieses Licht. Wieder eine Tierärztin, die es damit aufnimmt. Der Kampf beginnt. Gegen das Licht, gegen die Vernunft, gegen die Schmerzen, die lange Heilungsphase. Wieder diese Fragen. Lohnt es sich, oder wer gewinnt hier?
Einen Versuch starten wir! Dann noch einen und noch einen. Sira wird operiert. Mehrmals. Ihre, über mindestens die Hälfte ihrer Körperseite abgerissene Haut, angenäht. Die Wunde gereinigt. Das gebrochene Becken wird nicht angerührt. Es muss so heilen. Nur die Vorderbeine machen Sorgen. Sie sind auch gebrochen und brauchen Pins und Platten. Eine griechische Professorin aus der Uni wagt sich an die Beine heran. Unter Skepsis, dass es gut gehen wird. Wir übernehmen die Verantwortung und auch die Kosten.

Ab jetzt entscheiden nicht mehr wir über Siras Leben. Aber wenn jemand kämpft, dann diese kleine Katze. Wenn jemand zeigt, dass Aufgeben niemals eine Option ist, dann diese kleine Katze. Und wenn uns jemand zeigt, dass der Lebensmut auch in schwierigen Zeiten nicht verloren gehen muss, dann zeigt uns das Sira. So wie sie nach ihrem tragischen Unfall den Kopf in die gereichte Futterschüssel steckte und sich erst einmal den Bauch vollschlug, so als wäre der Brei hinter ihrem Kopf nicht ihr Körper, sondern eine nicht weiter ernst zu nehmende Bagatelle. Das erzählte sie Melanie mit einem Schnurren und schaffte damit den Auftakt zu ihrem und letztendlich auch Melanies Kampf.

Auch sie fand von Nordgriechenland über Antonia, über Athen, über das Mittelmeer zu uns ins NLR, welches inzwischen Tierhospital für ganz Griechenland zu sein scheint.

Und wenn wir schon dabei sind: Gigantos sollte auch von dort nach Kreta kommen, aber ein schwerer Durchfall verhinderte seinen Transport. Der Name verpflichtet, leider nur bei seiner Größe, die locker bei 70 cm liegt. Sein Gewicht sprach hingegen eine andere Sprache. Nur Haut und Knochen. Dass so ein Tier einer genaueren Untersuchung unterliegt, muss hier nicht extra erwähnt werden. Das Ergebnis: Leishmaniose, Herzwurm und Ehrlichiose. Alles Krankheiten, die einzeln schon schwierig zu behandeln sind und die man nicht wirklich braucht. Und deren Therapie kostspielig ist und lange dauert. Wer sollte sich in einem Tierheim in Nordgriechenland darum kümmern? Also: mit einer kleinen Verzögerung ab zu uns.

Und so steht das Auto erneut vollbeladen zwischen den wunderschönen Blumenrabatten auf der langen Ausfahrt. Wenn sich das Tor unseres NLRs­ hinter uns schließt, liegen erneute 2500 km vor uns. Die Vogelstimmen verabschieden sich von uns und wir fragen uns, wo die 14 Tage geblieben sind?
Ach noch etwas; in dieser Zeit operierte Melanie und ihr Team 235 Tiere. Unsere eigentliche Aufgabe. Das andere läuft nebenbei.

Thomas Busch

 

 

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Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
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