Kreta - von der Uni in den OP
Von der Leipziger Uni in den kretischen OP - unser erstes Abenteuer als frisch gebackene Tierärztinnen!
Ein Bericht von Luisa Wittchow und Carolin Vogelsang, Tierärztinnen
Nach 5,5 Jahren Studium der Veterinärmedizin in Leipzig hatten meine beste Freundin und Kommilitonin Caro und ich genug von der ewigen Lernerei für’s anstehende Staatsexamen. Vor dem ersten „richtigen“ Job wollten wir noch ein bisschen was von der Welt sehen. Da die lieben Tiere (insbesondere die Katzen) aber auch nicht fehlen durften, stand unser Plan schnell fest - wir wollten gern im Auslandstierschutz arbeiten. Seitdem man um die Vermittlungsanzeigen der ausländischen Tierschutzhunde und -katzen auf Socialmedia nicht mehr herumkommt, wollten wir uns das ganze also mal aus der Nähe anschauen. Ziemlich schnell entschieden wir uns für den Förderverein Arche Noah Kreta e.V. Da sie mit ihren weltweiten Kastrationsaktionen durch angestellte Tierärzte nachhaltig etwas im Auslandstierschutz bewegen, war das genau das, was wir gern unterstützen wollten. Wir nahmen also mit Thomas Kontakt auf, wurden ein wenig gebrieft und schließlich an „unsere“ Tierärztin für diese Zeit, Dr. Marga Keyl auf Kreta vermittelt. Die letzte Prüfung unseres Staatsexamens rückte näher, die Flüge wurden gebucht und das Abenteuer konnte beginnen!
Mit viel Respekt im Gepäck wurden Caro und ich kurze Zeit später sehr herzlich von Marga auf Kreta empfangen. Sie stellte uns noch am selben Abend in der vereinseigenen Station bei Rethymno die Hoftiere vor, die alle ihre ganz eigene Geschichte hatten und so einige Handicaps mitbrachten. Neben zahlreichen Katzen lernten wir dort auch die Leishmaniose-positive Hündin Bella, Hund Tassos und noch so einige weitere Schützlinge der Station kennen. Eine bunte Truppe - wir haben uns direkt wohlgefühlt!
Am 2. Tag ging es dann auch schon los auf die „Osttour“. Zu dritt packten wir das Auto und machten uns auf den Weg nach Ierapetra, einer Stadt im Südosten der Insel. Dort hatten wir die Möglichkeit für ein paar Tage in der Praxis der kretischen Tierärztin Marianna Straßenkatzen und -hunde zu kastrieren. Die ersten „Muschikatzen“ fingen wir noch am selben Abend nicht weit vom Hotel. Marianna begrüßte uns am nächsten Morgen sehr herzlich und nachdem wir den OP mit Marga aufgebaut hatten und sie uns die Narkosevorbereitung erklärt hatte, standen auch schon unser „Freddo Cappuccino“ und ein frisch gepresster Orangensaft bereit. So lässt es sich arbeiten!
Viel Zeit für‘s Schlemmen blieb uns nicht, denn Caro und ich waren ziemlich schnell mitten im Geschehen. Eine Katze nach der anderen wurde in Narkose gelegt. „Ist schon der erste Hund da? Den hätte ich gern als nächstes auf dem OP-Tisch.“
In den folgenden Tagen hatten wir nach und nach den Dreh immer mehr raus und übten uns in Multitasking. Ob kotzende Katzen in der Aufwachphase, aufgeregte oder verängstigte Hunde, ausbrechende Katzen beim Umsetzen in die Quetschbox oder die nächste Katze, die einen Venenkatheter brauchte - „teamwork makes the dream work“ war fortan unser Motto. Nach zahlreichen Fehlversuchen saßen auch die Venenkatheter bei den Katzen immer besser. Die Zeit bei Marianna hat uns super viel Spaß gemacht (was nicht zuletzt an der kulinarischen Verpflegung inkl. O - Saft lag) und schon in den ersten Tagen war unsere Lernkurve wirklich steil. An den Abenden streunerten wir durch die Gassen der Stadt oder schauten mit Marga Tatort auf dem Hotelzimmer.
Weiter ging unsere Tour nach Agios Nikolaos, wo wir drei bei Roger, einem lieben, befreundeten Engländer mit Haus in bester Lage, unterkamen. Bei Caro und Rogers kleinem Hund „Shadow“ war es eindeutig Liebe auf den ersten Blick.
Marga kastrierte in der nahe gelegenen Katzenklinik im Akkord eine Katze nach der anderen, entfernte Augen oder amputierte Katzenschwänze. Nach vielen operierten Katzen am Tag wurden wir abends von Roger mit tollen Gerichten bekocht und fielen todmüde ins Bett. Am zweiten Tag lernten wir „Lou“ kennen. Lou, eine kleine pechschwarze Katze von der Straße, gerade mal einige Monate alt, war sichtlich zu schwach für ihre Kastration und da sie sich trotz medikamentöser Versorgung und Infusionen nicht wirklich besserte, trat sie mit uns am letzten Tag die Rückreise nach Rethymno ins New Life Resort an. Wir brachten sie in der Station unter und behandelten ihren immer schlimmer werdenden Katzenschnupfen zum Glück erfolgreich. Trotz ihrer schweren Erkrankung verging kein Tag, an dem Lou keine Streicheleinheiten von mir bekam, die sie sich jeden Tag maunzend einforderte.
Nach ein paar Tagen Pause, einem Ausflug ins Zentrum der Stadt, einigen spannenden Zwerchfellriss-Operationen und der eintägigen „Kettenhunde - Tour“ mit dem deutsch-kretischen Tierschutzverein APAL, lernten wir auch Katzenmutti Christina und Tierschützerin Gerlinde kennen. Christina, die uns im hauseigenen „Denno’s Diner“ (benannt nach Chef-Kater Denno) täglich abends bekochte, versorgte uns außerdem jeden Abend mit zahlreichen lustigen Katzengeschichten (insbesondere über ihre Schützlinge Lilja & Denno). Neben Caro, mir und Christina reisten außerdem noch Tierärztin Sarah, eine Schülerpraktikantin und die Studentin Tamara aus Deutschland an, weshalb es in der Station nie langweilig wurde. Bald darauf ging es für Caro und mich im großen Team zur letzten Klinik unserer Reise. Im kleinen Ort Zouridi kastrierten Marga und Sarah in den kommenden Tagen weitere Katzen und Hunde. Caro, Tamara und ich übten uns außerdem in den „Ohrcuts“. Diese kleine, dreieckige Kerbe bekommen auf Kreta alle Straßenkatzen nach der Kastration ins linke Ohr, als Zeichen, dass sie bereits kastriert sind. Auch bei den Ohrcuts, die gleichmäßig, nicht zu groß und nicht zu klein sein sollen, war unsere Lernkurve steil. Doch nicht alle Katzen bekommen ihn. Weiße Katzen bekommen aufgrund des erhöhten Hautkrebsrisikos keinen Cut, sondern werden mit den Buchstaben „NL“ für „New Life“ tätowiert. Dass sich diese Tattoo-Farbe auch bestens für Menschen eignet, probierten Caro, Sarah und ich am letzten Abend direkt aus und verewigten dieses wunderbare Abenteuer (und für uns das „neue Leben“ als Tierärztinnen) auch auf unserer Haut.
Wenn man uns fragt, wie unsere Zeit auf Kreta mit dem Tierärztepool so war, können wir nur begeistert schwärmen. Es war für uns die beste erste Erfahrung als Tierärztinnen, die wir uns hätten vorstellen können und wir sind unglaublich dankbar dafür. Marga hat uns mit ihrer Begeisterung für den Tierschutz und die Tiermedizin, ihrem Know-How bei sämtlichen Operationen, ihrem unglaublichen Durchhaltevermögen und ihrem Humor nach 10 Stunden im OP so inspiriert und motiviert, dass wir diese Erfahrung nicht mehr missen möchten. Wir danken insbesondere Marga, die uns unglaublich viel erklärt und gezeigt hat und allen anderen Menschen, die Teil dieser tollen Zeit auf Kreta waren wirklich sehr!
Wir hoffen, es war nicht das letzte Abenteuer mit der Arche und freuen uns auf die Zukunft als Tierärztinnen.