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Um ehrlich zu sein, ist es eine ganze Weile her dass ich mich mit der Haltung von Milchkühen im Detail auseinander gesetzt habe. Mein Entschluss vegan zu leben fiel bereits vor über 20 Jahren, doch zu dem Lebensumständen der Milchkühe an sich, hatte ich seither wenige Berührungspunkte.

Dieter - ein Kalb darf bei seiner Mutter bleiben

Ein Text von Maria Reisböck

Die Nachricht von Nina, dass sie eventuell zwei Milchkühe aus konventioneller Haltung übernehmen könnte, hat somit einiges in mir wieder wachgerüttelt und Fragen an die Oberfläche gebracht.

Was steckt dahinter, wenn wir unseren Milchkaffee in der Früh trinken oder auf dem Weg in die Arbeit noch schnell in eine Butterbreze beißen? Für welche Produkte wird außerhalb der Lebensmittelindustrie der Rohstoff Milch verwendet?

Bei diesen Gedanken kommt mir ein Satz in den Sinn, den ich in unterschiedlichen Formulierungen schon sooft zu hören bekommen habe:

Aber die Kuh muss doch Milch geben!

Ganz so, als würde sie einfach immer Milch geben und ohne unsere `Hilfe` aufgeschmissen sein.

Daher kurz zu den Fakten:  

Kühe sind Säugetiere wie wir, sie geben nur Milch, wenn sie ein Kälbchen haben. Sie tragen ihre Kälber ca. 9 Monate aus, wie wir. Mit der Geburt des Kalbes setzt die Milchbildung ein, wie bei uns. Und wie wir haben die Mütter eine sehr enge Bindung zu ihren Kälbern und die Kälber zu ihren Müttern.

Dann stehe ich hier auf dem Hof, eine Offenstallhaltung, in der die Rinder sich frei bewegen können, auf der Weide oder im Stall, wie es ihnen zusagt. Die Eingliederung von Surya und Prana in die Gruppe lief problemlos.

Die beiden sind nun Teil einer kleinen Herde, haben Freundschaften geknüpft und genießen ihr neues Leben in vollen Zügen. Wir beobachten Prana, wie sie sich völlig entspannt der Fellpflege einer anderen Kuh widmet. Hals und Nacken werden beleckt, was für ein Vorteil, wenn ein Herdenmitglied sich der Stellen annimmt, wo man selbst so schlecht dran kommt!

Und Surya? Sie hat ihr Kälbchen geboren und ist von Tag eins an eine liebevolle Mutter, die sehr um das Wohl ihres Neugeborenen bedacht ist. Eines Morgens lag der Kleine im Stroh, ganz ohne Hilfe hat sie ihn zur Welt gebracht und ihn sofort als ihr Kälbchen angenommen. Für die Geburt wurde Surya in einem separaten Stall untergebracht, damit sie ausreichend Ruhe hat, vor allem aber auch, damit ihr Kälbchen ausreichend Milch bekam.

Denn kurz nach ihrer Ankunft hier auf dem Hof hatte sie bereits zwei Kälbchen adoptiert, die bei ihr trinken durften. Die vier standen gemeinsam in Quarantäne. Kaum in die neue Herde integriert, liess es sich Surya nicht nehmen, noch zwei weitere Kälbchen zu adoptieren. Da erklärt es sich von selbst, dass es für die erste Zeit wichtig war, dem neuen Kalb seinen Mutter ganz für sich allein zu sichern.

Das neue Mitglied der Familie gedeiht nun prächtig und Dank Oliver und Dieter ist seine Zukunft gesichert. Vielen lieben Dank, dass ihr die Patenschaft für den kleinen Dieter ;- ) übernommen habt.

Jeden Morgen sieht man den Kleinen, wie er sich an seine Mutter schmiegt, die schützend den Kopf über ihn legt. Dieser Anblick zaubert uns allen ein Lächeln ins Gesicht, aber gleichzeitig stimmt er einen nachdenklich und betroffen. Das ist ihr erstes Kalb, das ihr nicht genommen wird, das erste Kalb in ihrem Leben, das sie großziehen, beschützen und pflegen darf. 

Surya stammt aus einer konventionellen Milchviehhaltung, sie stand das ganze Jahr über in Anbindehaltung.

Jedes Jahr aufs Neue musste sie ein Kälbchen gebären, damit die Milchleistung nicht nachlässt und jedes Jahr wurde ihr das Kalb direkt nach der Geburt entzogen.  

Surya blieb allein im Stall zurück, ohne jegliche Chance das kleine zu beschützen. Angebunden mit dem Blick zur Wand, ihrem Schicksal überlassen. Es ist nie viel Zeit vergangen, bis sie wieder besamt wurde und das `Spiel` von vorne begann. Und was passierte mit ihrem Kalb?
Die Kälber werden in konventionellen Betrieben meist in Kälberiglus untergebracht, in den ersten Wochen separat, ohne Kontakt zu anderen. Ihre Milch erhalten sie aus Tränkeimern. Doch dies ist in der Regel keine frische Muttermilch, sondern angerührtes Milchpulver, das ist leichter in der Verarbeitung und oft kostengünstiger...

Beim Niederschreiben dieser Worte wird mir die Absurdität noch viel bewusster. Ist das nicht völlig widernatürlich? Die Kälber bekommen Ersatzmilch, während die Milchleistung der Mutter hochgehalten wird, um mit ihrer Milch unsere Supermarktregale zu füllen. Sollte die Muttermilch nicht nur für den eigenen Nachwuchs bestimmt sein?

Viele unserer Milchprodukte stammen aus Großbetrieben, hinter jedem Liter Milch steckt hier eine Mutterkuh, die teilweise wie im Fall von Surya ihr Leben lang in Anbindehaltung verbringt. Doch es ist nicht nur die Mutter, die hinter der Milch steht, sondern eben auch ihre Kälber.

Ich denke, es ist diese Tatsache, die sooft verdrängt wird. Eine Mutterkuh und ein Kalb, Schicksale, die zur Seite geschoben werden, da sie uns doch zu sehr betreffen, wenn wir wirklich darüber nachdenken. Doch sind wir ihnen nicht wenigstens das schuldig? Hinzusehen und uns immer wieder bewusst zu machen, dass die Kälber `notwendig` sind, damit wir den Käse auf der Pizza haben oder den Milchschaum auf unserem Cappuccino. Auch wenn wir uns Gedanken machen, die Milch und den Käse für zu Hause im Bioladen oder beim Bauern unseres Vertrauens zu holen, dann bleiben dennoch die vielen kleinen Momente, wenn wir uns unterwegs schnell was `auf die Hand` holen.  

Auf dem Weg zum nächsten Termin, ein Abstecher zum Bäcker, vielleicht wird’s eine Nussschnecke oder eine belegte Semmel. An einem sonnigen Tag mal eben eine Kugel Eis...
Doch wo kam die Milch für diese Produkte her? Wie wurden Kuh und Kalb gehalten? Das tritt dann oft in den Hintergrund, geschweige denn von all den Produkten, die Milchpulver enthalten. Soßen, Suppen… in vielen Fertiggerichten wird Milchpulver verwendet um das Volumen zu erhöhen oder die Frischhalteeigenschaften zu verbessern. Gerade bei günstigen Produkten kommen die Rohstoffe in der Regel aus Großbetrieben, in welchen die Milchleistung an erster Stelle steht, nicht das artgerechte Leben der Rinder.

Und nicht nur in Lebensmitteln ist der Rohstoff Milch enthalten, auch viele Kosmetikprodukte enthalten Milchzucker oder Milchproteine. Sie sorgen für ein frisches Hautbild, wirken beruhigend auf gereizte Haut und vieles mehr.  

Ja, das sind wundervolle Eigenschaften dieses Naturproduktes,  aber sollte es in dieser Form für unsere Zwecke genutzt werden?

Sind vegane Produkte nicht ebenso pflegend oder wohlschmeckend? Jeder von uns kann entscheiden, ob er Milchprodukte konsumiert oder nicht. Es ist die Entscheidung jedes Einzelnen, sich intensiver mit den Inhaltsstoffen auseinanderzusetzen und vielleicht auf das eine oder andere Produkt zu verzichten.  

Bei Surya und Dieter sehen wir, wie das Zusammenleben von Mutter und Kalb aussehen sollte. Ihre Milch ist allein für ihr Kalb bestimmt, beziehungsweise für die andere Kälbche,n die bei ihr mittrinken dürfen.

Nur wenn wir beginnen umzudenken, bereit sind, für das Wohl anderer unseren Lebenswandel etwas umzustellen, indem wir unseren Konsum von Milchprodukten reduzieren oder auch komplett darauf verzichten, wenn wir bereit sind, für Produkte aus artgerechter Haltung entsprechend höhere Preise zu zahlen, dann, und nur dann, kann die Zahl von ca. 3,7 Millionen Milchkühen und ihren Kälbern, allein bei uns in Deutschland, reduziert werden.

Für jedes einzelne Tier, das den immer wiederkehrenden Kreislauf von Besamung, Geburt und Entzug des Jungtieres nicht mehr durchleben muss. Für jedes Kalb, das nicht getrennt von seiner Mutter aufwachsen muss, ist es denke ich die Überlegung wert, beim nächsten Einkauf einen kurzen Moment innezuhalten, bevor ein Stück Butter den Weg in unseren Einkaufswagen findet.


Liebe Tierfreunde!

Der Tierärztepool hat sich im Tierschutz auf das Eindämmen der Populationen von Straßenhunden und -katzen durch Kastrationen spezialisiert. Das wird zukünftig auch so bleiben und genau dafür nutzen wir Ihre Spenden.

Diese Spezialisierung bedeutet aber nicht, dass wir auf anderen Augen blind sind. Im Gegenteil. Wir als Tierärzte haben Einblicke in Themen, die für die Öffentlichkeit lieber verschlossen bleiben sollen. Denn es ist hinter den grünen Stalltüren nicht immer das vorzufinden, was die verblümte Werbung Ihnen verspricht. Auch nicht das, was Lobbyisten Ihnen anpreisen. Die Realität sieht anders aus.

Wiederum bedeutet das aber nicht, dass alle Protagonisten in diesem Spiel Verbrecher sind. Sie bedienen, manches Mal sogar unfreiwillig, einen Markt, der unaufgeklärt und oft auch desinteressiert ist und bei dem nur eins zählt: der maximale Profit. Aber diesen Markt gibt es nun mal! WIR sind dieser Markt! Er wird durch uns am Leben erhalten, zu billiger Produktion gezwungen, weil „billiger geiler“ ist und weil es letztendlich einfach ist, nicht genau hinzugucken.

Unsere Reichweite möchten wir nutzen um wachzurütteln. Wir würden uns freuen, wenn Sie unsere Gedanken teilen können, wenn Sie kurz darüber nachdenken, dass Sie heute mal „Markt“ sein können und mit ihrem Verhalten einen kleinen Teil dazu beitragen, die Welt ein winziges Stück besser werden zu lassen. Probieren Sie einfach mal die Alternativen oder teilen Sie Ihre Gedanken mit uns, Ihren Freunden oder der Familie. Für Kommentare, Ideen oder auch Kritik sind wir offen.

Als wir die erste Kastration durchführten, wurden wir mitleidig angelächelt. Was soll das denn schon verändern? Im letzten Jahr kastrierten wir 20.000 Tiere. Niemand lächelt mehr mitleidig.

Für den Freikauf der beiden Kühe, der Nina sooo wichtig war, nutzten wir kein Geld des Fördervereins, sondern private Spenden. Diejenigen, denen das „Sichtbarmachen“ genauso wichtig ist wie uns, können unser Kuhprojekt gerne durch eine Patenschaft oder eine Spende für Surya und Prana unterstützen.

Und jetzt kastrieren wir weiter. Aber nur mit einem Auge - falls Sie verstehen, was wir meinen :-)

Ihr Tierärztepool