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Ohne Hoffnung - voller Hoffnung

Ein Text von Lisa Holl


Seit drei Tagen bin ich wieder zu Hause. Drei Tage, die ich mit Grübeln verbracht habe. So langsam habe ich das Gefühl, meine Eindrücke und Erfahrungen aus Rumänien setzten sich und meine Zuversicht kehrt ein Stück zurück.

Wo ich diesen Bericht anfangen und aufhören soll, weiß ich nicht - unsortiert ist wohl das treffende Wort. Also erzähle ich von einem Einsatztag.

Nachts hat es extrem gestürmt. Als wir kurz nach acht Uhr aufbrechen wollen, bleiben wir mit unserem Transporter erstmal in unserer Einfahrt stecken und können nach langem Hin und Her nur mit einem Bagger herausgezogen werden. Im Tierheim angekommen läuft es rein vom Kastrieren gut. Dieses Tierheim ist eine ehemalige Tötungsstation. Seit einiger Zeit steht ein Verein dahinter und holt die Hunde regelmäßig weg von dort.

Mein erster Gedanke dazu war positiv und ich freue mich erstmal für jeden, der nicht nach Ablauf seiner Frist auf sein Ende wartet. Doch wohin? Die meisten Hunde hier kennen wenig bis keinen Menschenkontakt und sind ängstlich. Daher haben sie sehr schlechte Aussichten auf Vermittlung. Sie kommen also zwar weg von dort, doch für die meisten heißt das "Endstation in der Aufbewahrung".

Ein Leben auf Quadratmetern, mit nicht mehr als der Grundversorgung. Manchmal erwische ich mich dabei, mich zu fragen, welche Option besser ist und mir scheint sich jeder positive Gedanke, früher oder später ins Negative zu wenden.

Der Tag geht weiter und wir bekommen eine Hündin mit abgerissenem Ohr. Durch Geschichten wie ihre, Geschichten von tot gebissenen Müttern, deren Welpen nun mit der Flasche aufgezogen werden, durch überfahrene Hunde am Straßenrand, löst sich auch die Option eines halbwegs guten Lebens auf der Straße in meinem Kopf in Luft auf.

Nachmittags ziehe ich los, um die noch unkastrierten Hunde des Tierheims für die Narkose vorzubereiten. Durch mein Gedankenkarussell, das seit Tagen kreist, kommt es mir vor, als würde mich jedes einzelne Augenpaar mit Hoffnungslosigkeit anschauen. Mein Blick streift durch die Reihen, bis mich eingefallene, schwache Augen aus dem ersten Zwinger des zweiten Hauses treffen.

Eine magere, kleine Hündin steht auf wackligen Beinen, mit gesenktem Kopf im hinteren Eck ihres Zwingers und schaut mich an. Sofort ist mir klar, dass ein sterbender Hund vor mir steht. Auch Nina und der Tierarzt des Tierheims sehen sich die Hündin an und Nina bestätigt mir das. Wir können ihr nicht mehr helfen, jede Hilfe kommt zu spät. Alles, was mir bleibt, ist Akzeptanz.

In ihrer Zwingerreihe verabreiche ich dem nächsten Patienten die Sedierungsspritze. Während ich warte, dass er müde wird, nehme ich mir Zeit für die kleine Hündin. Sie steht am Zaun und ihr Stummelschwanz wedelt leicht von rechts nach links als ich sie anspreche. Ich streiche über ihren kleinen Kopf und entschuldige mich, dass ich nichts tun kann. Ich muss zurück in den OP. Kurze Zeit später finde ich sie tot auf dem Boden.

Mir fällt fast kein weiterer Moment ein, in dem ich mich jemals so machtlos gefühlt habe. Der restliche Tag zieht an mir vorbei und nach Feierabend bringen wir eine nun kastrierte Hündin an ihren Platz auf einem Firmengelände zurück. Im Auto bleibt einer der wenigen glücklichen. Ein kleiner Rüde, frisch ausgesetzt an derselben Stelle, darf mit uns kommen: Er hat Interessenten in Deutschland und darf nach abgeschlossenem Impfschutz in ein besseres Leben reisen.

Menschen, die mich kennen wissen, dass ich eigentlich immer das Gute sehe – mich über „Kleinigkeiten“ freue und alles, was mich belastet eher als Motivation mitnehme. Aktuell kann ich es nicht. Mehr als Leere spüre ich nicht mehr und so sitze ich auf dem Rückweg auf dem Beifahrersitz. Mein Blick streift in die Felder und von weitem sehe ich drei kleine, schwarze Punkte auf der Straße. Ich habe gehofft, es sind Vögel und dass diese gleich wegfliegen, denn im Gegenverkehr kommt ein Auto, dass auf diese kleinen Punkte zusteuert. Wir kommen näher und es sind winzige Welpen.

Nina bremst sofort und wir rennen los. Das Auto im Gegenverkehr glücklicherweise auch. So schnappe ich mir zwei und eine Frau kommt mit dem dritten auf mich zu. Auf meinem linken Ohr, hinter mir, Richtung Straßenrand höre ich ein fiepen und drehe mich um. Eine Mama mit zehn neugeborenen Welpen liegt direkt neben der Straße im Regen. Über ihr im Gebüsch, die Säcke in denen sie weggeschmissen wurde.
„The Romanian way“.

Wir sind diese Straße schon auf dem Hinweg gefahren – das alles muss in der Zwischenzeit passiert sein. Wir laden alle ein, als uns ein Stückchen weiter eine weitere Hündin auffällt, die nur mit zwei Beinen richtig auftreten kann. Glücklicherweise lässt auch sie sich widerstandslos von uns mitnehmen.

Die Mama und ihre Welpen wurden von befreundeten Tierschützern von Nina aufgenommen. Die drei Kleinen, die nicht vom selben Wurf stammen, sind weiterhin bei Nina und auch die angefahrene Hündin darf bei Nina, liebevoll umsorgt auf ihre Ausreise warten. Mehr als hoffen, dass die meisten überleben und ein schönes, sorgenfreies Leben auf sie wartet, bleibt mir nicht. Die vergangenen zwei Wochen dachte ich, dass ich kein positives Wort finden kann. Meine Gedanken kreisten um all diejenigen, die wir nicht finden. Diejenigen, die niemals eine Chance erhalten werden und im stummen Hintergrund solche und noch schlimmere Schicksale ertragen müssen.

Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Mittlerweile bin ich ehrlich dankbar, diese Erfahrungen gemacht zu haben und diese jetzt als Antrieb mitzunehmen. Jede einzelne Kastration verhindert genau das. Nicht mehr und nicht weniger. Ich bin stolz auf alles, was das gesamte Team leistet. Ich bin glücklich über alles, was wir gemeinsam erreichen und kann so meinen nächsten Einsatz kaum abwarten.
Danke Nina!

 

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Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
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In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an   jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.

In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:

  Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer

  ACE - Tiere in Not (Epanomi)

TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de