Rumänien April 2012
Ein Bericht von Nina Schöllhorn | Tierärztin
Die Vorbereitungen zum diesmaligen Kastrationseinsatz waren etwas aufwändiger als gewöhnlich: denn dank des Engagements meiner Nachbarin Doris wird während unserer Zeit in Rumänien ein großer Hilfstransport stattfinden. Schon seit Wochen trafen täglich große Mengen an Futter, Hundezubehör, Decken, Handtüchern, aber auch an warmer Kleidung für die Arbeiter bei uns ein und Doris war viele Tage mit Sortieren und Packen beschäftigt. Die Hilfsbereitschaft war überwältigend und weit größer als erwartet. Zudem hatten sich verschiedene Personen meiner Nachbarschaft sehr großzügig eingebracht, was die Bereitstellung von Lagermöglichkeiten, Paletten und Packmaterial angeht. Letztendlich bekamen wir stolze 11 Europaletten, einen randvoll gefüllten Sprinter sowie einen VW Bus an Spendenmaterial zusammen. Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei allen Beteiligten bedanken! Carina und ich brechen einige Tage vor dem Hilfstransport auf. Wir hoffen auf dessen pünktliches Eintreffen vor Ort, damit wir selbst die Sachspenden gerecht an die verschiedenen Tierheime verteilen können.
Da kommt sie um die Ecke. Mit ihrem Liebling an der Leine! Er läuft sehr, sehr unsicher, doch er folgt ihr voll Vertrauen und freut sich über ein paar Schritte auf frischem Gras.
Targu Mures
Unser erstes Ziel heißt Targu Mures, ein Tierheim unterstützt von BMT und TASSO. Den dortigen Tierarzt Bogdan hatten wir im letzten Jahr in Brasov kennengelernt. Schon damals hatte er uns gebeten, doch auch in seiner Stadt eine Kastrationsaktion durchzuführen. Die Tierheimleiterin Emilia heißt uns herzlich willkommen und freut sich sehr über die übergebenen Futterspenden.Bogdan und EmiliaWir sind überrascht von den schönen, großzügigen neuen Räumlichkeiten in denen sich sehr angenehm arbeiten lässt. Emilia ist mit viel Herzblut bei der Arbeit und kämpft unermüdlich für ihre Schützlinge, trotz widriger Bedingungen vor Ort. Auch Bogdan ist sehr motiviert und so können wir effektiv arbeiten. Auch im Tierheim hat sich dank der Unterstützung aus Deutschland schon einiges verbessert, denn den Erzählungen der beiden entnehmen wir, wie armselig die Zustände noch vor wenigen Jahren waren.Carina und Bogdan bei der Arbeit
Neben den üblichen Kastrationen gibt es auch einige besondere medizinische Fälle, die unsere Hilfe brauchen.Unter anderem ein kleiner Rüde, mit einer alten , nicht heilen wollenden Fraktur im Vorderbein.Das Bein ist in schlimmem Zustand und erfordert spezielle Versorgung. Wir nennen den Kleinen Emil und nehmen uns seiner an. Emil ist als etwas, sagen wir mal, wehrhaft bekannt und Bogdan macht sich etwas Sorgen, wie wir mit ihm klar kommen werden. Doch Emil merkt schnell, dass wir ihm nur Gutes wollen und schließt Freundschaft mit uns. So kommt er mit uns in die nächste Station, nach Sighisoara.
Sighisoara
Was Sighisoara angeht, haben Carina und ich ziemlich Bauchweh. Unser erster Besuch dort im Herbst war schließlich alles andere als schön. Ich hatte in meinem letzten Bericht die unbeschreiblichen Zustände geschildert. Der Gedanke an das städtische Auffanglager sorgt immer noch für Gänsehaut. Auch war das Arbeiten in den beengten Örtlichkeiten sehr beschwerlich. Trotzdem wissen wir natürlich, dass gerade an diesem Ort Hilfe dringend erforderlich ist. Wir hoffen auch, dass sich vielleicht schon etwas zum Guten gewendet haben könnte, denn in den letzten Monaten sind zahlreiche Proteste, vor allem auch aus Deutschland, bei den Zuständigen der Stadt eingegangen. Der BMT hatte offiziell Hilfe angeboten.Vor Ort treffen wir leider fast unveränderte Zustände an. Man steckt, wie man uns mitteilt, noch immer in zähen Verhandlungen und von Seiten der Stadt will man sich noch nicht recht festlegen, wie man in Zukunft mit den Streunern verfahren will. Solange keine Entscheidung getroffen ist, bleibt der Zutritt zu dem Gelände bis auf Ausnahmen verboten und macht somit regelmäßige Hilfe für die Hunde in Form von Versorgung mit Futter, Wasser und dringend erforderliche Reinigungsarbeiten unmöglich. Eine zermürbende Situation für die Tierschützer, da sie dem weiter andauernden Leiden der Hunde in den viel zu engen, verdreckten Käfigen machtlos gegenüber stehen. ;Zugang verbotenViel Mut macht jedoch, dass die Bevölkerung die Gelegenheit, ihre Tiere zur Kastration zu bringen, sehr gerne annimmt. Wir halten uns tatsächlich an dem Gedanken fest, dass wir dadurch die Entstehung vieler Lebewesen verhindern können, die an diesem Ort gelandet wären. Die Tierschützer hier sind sehr motiviert und besonders Mona gibt sich Mühe, alles rund um die Kastrationsaktion gut zu organisieren.
Sie ist Tag ein Tag aus unermüdlich im Einsatz für die Tiere. In erster Linie wird sie unterstützt durch Tierpfleger Flavius, ohne den alles nicht in dieser Form möglich wäre, denn er macht seinen Job mehr als gewissenhaft und mit sehr viel Liebe zu den Hunden. Tierheimleiterin MonaTierpfleger FlaviusDa wir durch einen mehrstündigen Stromausfall etwas ausgebremst werden, finden wir Zeit, ihr eigenes Tierheim zu besuchen und ein paar besondere Fälle mit der dortigen Tierärztin zu besprechen. An sich versuchen wir stets, zu viel emotionale Nähe mit unseren Patienten zu vermeiden, was ich als reinen Selbstschutz bezeichnen würde. Gerade wenn wir auf Hunde in solch trostlosen Situationen wie dem städtischen Auffanglager treffen, wäre anders sinnvolles Arbeiten gar nicht möglich. Doch nicht immer gelingt das.Mir fällt auf, dass Carina einen der Hunde besonders liebevoll streichelt. Sie sagt mit leiser, abgehackter Stimme: " Er ist sehr alt, er verlässt seine winzige Hütte nie, er hat schreckliche Angst, alle seine Krallen sind mehrere Zentimeter lang, er muss schon viele Monate hier sein".
Ich schaue sie hilflos an. Wir beide wissen, wie die Chancen für einen solchen Hund stehen. Doch Carina entfernt sorgfältig Zahnstein, bürstet Unmengen an altem Fell aus und behält ihn mehrere Stunden in ihrer Nähe. Ich betrachte dies mit Sorge, ich weiß was in ihr vorgeht, doch mir fällt keine Lösung für diesen Hund ein. Es ist mir nicht einmal möglich seinen Charakter einzuschätzen, denn er ist einfach nur starr vor Angst. Am Abend spricht keiner von uns viel. Am nächsten Morgen packe ich den Sprinter und wundere mich wo Carina bleibt.Da kommt sie um die Ecke. Mit ihrem Liebling an der Leine! Er läuft sehr, sehr unsicher, doch er folgt ihr voll Vertrauen und freut sich über ein paar Schritte auf frischem Gras. Als Carina später zu mir in den Sprinter steigt sagt sie: "Er heißt Babu und er wird in wenigen Wochen zu mir nach Deutschland kommen." Wir schauen uns mit glasigen Augen an und es bedarf keiner weiteren Worte.
Miercurea Ciuc
Als wir im Tierheim in Miercurea Ciuc eintreffen, ist unser Helferteam aus Deutschland schon da. Jasmin, Anke, Christina und Doro sind für einen einwöchigen Hilfseinsatz angereist. Voller Tatendrang sind sie bereits im Tierheim unterwegs, wo es natürlich immer jede Menge zu tun gibt und Hilfe mehr als willkommen ist. In solch einem Team zu arbeiten macht besonders viel Spaß und vieles geht einem leichter von der Hand. ;Auch der LKW mit den gesammelten Hilfsgütern trifft, wie geplant, während dieser Zeit ein und sorgt für viele strahlende Gesichter und gefüllte Hundemägen. ;ChristinaJasmin ;Anke mit Emil Tierheimleiterin EvaUmi, Saada und ichKastration einer HündinGabi mit einem Straßenhund ;Emil mit AnkeDie Kastrationsaktion an sich läuft routiniert wie immer ab. Schließlich sind wir hier inzwischen alle eingespielt. Nach einer Woche treten Jasmin, Anke, Christina und Carina die Heimreise an und mit ihnen unter anderem Emil, dessen weitere medizinische Betreuung, Dank der spontanen Hilfe von Petra Zipp, nun vom BMT übernommen wird.
Gheorgheni
In Gheorgheni wird mir Doro assistieren, die in der letzten Woche von Carina eingearbeitet wurde und ihren Job schon sehr gut beherrscht. Obwohl dies ihr erster Tierschutzeinsatz ist, zeigt sich Doro als unerschrocken und belastbar- ich bin sehr positiv überrascht.Doro bei der ArbeitWie erwartet wird uns in Gheorgheni wieder viel abverlangt. Die Zustände im Tierheim sind wie immer schwierig: Fehlende finanzielle Mittel, Überfüllung, Beißereien unter den Hunden. Man hatte im Vorfeld eine Einfangaktion für Straßenhunde organisiert, welche allerdings auf Grund des völlig unprofessionellen und brutalen Vorgehens der Hundefänger wieder schnell beendet wurde. Die beschriebenen Szenen erinnern erschreckend an die der schrecklichen Einfangaktion dort vor drei Jahren.
Zudem hat die Tierheimleiterin Agotha weiterhin mit den Ansichten des Bürgermeisters zu kämpfen. Dieser träumt von einem von Sraßenhunden völlig "gesäuberten" Gheorgheni und nutzt dies auch als Wahlkampfthema. Er möchte gerne alle Hunde bei Agotha im Tierheim wissen. Alle Überzeugungsversuche, dass dies nicht umsetzbar ist und unter gar keinen Umständen das Problem lösen wird, scheinen abzuprallen. Das Konzept des Kastrierens und wieder an Ort und Stelle Freilassens der Hunde scheint ihm zuwider. So finanziert er den Bau neuer Zwinger im Tierheim und die Zahl der Hunde dort wächst stetig an. Genau das Gegenteil von dem, was in Agothas und natürlich auch in unserem Sinn ist. Dazu kommt, dass immer wieder auch andere Tierschutzgruppen das Verschwinden von Hunden melden. Keiner kann sagen, wo sie hingekommen, bzw. was ihnen zugestoßen ist. Alles rund um das Thema Straßenhunde kommt uns in dieser Stadt wie ein düsterer Nebel vor, in dem wir trotz aller Bemühungen nicht wirklich aufdecken können, was alles vor sich geht. Eines steht fest, in dieser Stadt ist man als Hund keinesfalls sicher.
Trotzdem oder gerade deshalb, sind wir der Überzeugung, dass es umso wichtiger ist, auch hier präsent zu bleiben und eine Alternative aufzuzeigen- allen Widrigkeiten zum Trotz. Agothas Durchhaltevermögen scheint angesichts dieser erschwerten Bedingungen umso bewundernswerter. Unermüdlich organisiert sie Hunde und Katzen, die zur Kastration gebracht werden. Die große Nachfrage unter der Bevölkerung ist für uns wie immer ein Zeichen, dass wir uns auf dem richtigen Weg befinden.Leider begegnen uns hier wieder gewohnt viele tragische Notfälle und in einigen Fällen müssen wir leider einsehen, dass unsere Hilfe zu spät kommt. Jeder, der uns kennt weiß, dass wir sehr ungern den Kampf um ein Lebewesen aufgeben. Umso schöner ist, dass wir das Schicksal der kleinen Chafu zum Guten wenden können. Die Kleine wurde uns schwerverletzt mit inneren Blutungen gebracht. Unsere Loredana, die inzwischen in Oradea lebt, nahm sich spontan der Nachsorge der Kleinen an. Chafu wartet inzwischen in Deutschland auf ein Zuhause.Chafu ;Eines weiteren sehr dringenden Notfalles, der eine langwierige Behandlung erforderte, nahm sich BrunoPet an. Ich bin immer sehr froh, wenn verschiedenen Vereine Hand in Hand arbeiten, denn nur so wird effektive Tierschutzarbeit möglich. Zudem möchte ich betonen, dass dies der dritte Einsatz in Gheorgheni ist, der vom Freundeskreis Bruno Pet finanziert wird. Ich finde diese Hilfestellung für andere bedürftige Tierheime ist vorbildlich und sollte nicht unerwähnt bleiben.Vor unserer Heimreise stehen in MiercureaCiuc noch ein paar wichtige Operationen an. Leider haben die Hundefänger wieder einige neue Hunde abgeliefert.
Darunter eine kleine alte Hündin, an deren Bauch sich ein riesiger Tumor befindet. Sorgenvolle Gesichter blicken mich an und es steht die Frage im Raum, ob nicht die Euthanasie die humanste Lösung wäre. Doch während ich noch die vorhergehende Operation beende und die kleine Hündin aus dem Augenwinkel beobachte, bin ich sicher: Dieser Hund will leben! So wird die Kleine kastriert, der Tumor entfernt und etliche eiternde Zähne gezogen. Sie bekommt den Namen Bunica (rumänisch: Oma) und schon am nächsten Morgen hüpft sie uns freudig entgegen. Zu diesem Zeitpunkt ahnen wir noch nicht, dass die Kleine schon bald ein traumhaft schönes Zuhause in Deutschland finden wird, dort regelrecht in einen Jungbrunnen fällt und mit ihrer sehr speziellen Art für belustigende Unterhaltung sorgt.BunicaDies sind die Freuden, die uns Kraft geben, immer weiter zu machen und gegen all die Widrigkeiten anzukämpfen. Es sind Einzelschicksale, die uns aus der Masse der Namenlosen entgegentreten und die uns verdeutlichen, dass jeder Einzelne von ihnen unseren ganzen Einsatz wert ist. An dieser Stelle möchte ich noch die graue Hündin aus Sighisoara erwähnen, deren dramatische Situation ich in meinem letzten Bericht geschildert habe. Ihre Geschichte hat viele Herzen berührt. Es ist mir daher ein Bedürfnis zu zeigen, wie sie heute aussieht- dank Tiere in Not Odenwald e.V., die sie übernommen und ihr das Vertrauen in die Menschheit wiedergegeben haben, war es möglich, schon bald ein Zuhause für sie zu finden. Dies zeigt erneut, was alles möglich ist, wenn alle zusammenarbeiten und jeder seinen Teil zum Ganzen beiträgt. Dann können wir für die Tiere unendlich viel erreichen.
Bei diesem Einsatz konnten insgesamt 270 Tiere kastriert werden(132 Hündinnen, 80 Rüden, 38 Katzen und 20 Kater) und 15 weitere dringend notwendige Operationen durchgeführt werden. Da die Situation in Sighisoara und in Gheorgheni besonders brisant ist und die Verantwortlichen vor Ort auf die Wichtigkeit der Präsenz dort hinweisen, werden wir uns schon in wenigen Wochen wieder auf den Weg dorthin machen. Um gemeinsam mit den rumänischen Tierschützern unermüdlich ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen für die Straßentiere, für deren Leben und ihre Rechte.Ihre Nina Schöllhorn
Für Chicco, dessen Schicksal wir trotz aller Bemühungen nicht zum Guten wenden konnten. Er wird unvergessen bleiben.
Helfen
Der Förderverein Arche Noah Kreta e.V. ist ein tiermedizinisch orientierter Tierschutzverein, dessen Schwerpunkt die Kastration von Straßentieren ist. Das Team besteht aus mehreren Tierärztinnen und Helferinnen, die international Kastrationsaktionen durchführen.
Jeder bekommt eine Chance auf ein besseres Leben! All das wird nur möglich durch Ihre Spende!
In vielen unserer Projekte werden regelmässig Helfer benötigt. Manchmal brauchen wir tiermedizinisch vorgebildete Unterstützung. Manchmal einfach Menschen, die die Tiere vor und nach der OP betreuen, Boxen waschen und anpacken, wo Hilfe benötigt wird. Wenn Ihr der Meinung seid, dass wir Euch kennenlernen sollten, sendet uns eine Email an jobs@tieraerztepool.de.
Oft aber kann jeder einfach helfen - so zum Beispiel bei den Kastrationsprojekten auf Rhodos oder in Epanomi. Hier werden Leute benötigt, die Katzen vom und zum Fangort fahren, Fallen und Boxen reinigen usw.
In den Helfergruppen auf Facebook könnt Ihr Euch vernetzen:
Flying Cats e.V. - Kastrationsprojekt Rhodos - Helfer
TierInsel Umut Evi e.V.: Kontaktaufnahme über tierinsel-tuerkei-vorstand@t-online.de
Partner
Der Bund gegen Missbrauch der Teire e.V. ermöglichte einen Teil dieses Einsatzes durch seine finanzielle Unterstützung
Der Freundeskreis BrunoPet e.V. ermöglichte einen Teil dieses Einsatzes durch seine finanzielle Unterstützung
Der Verein Tasso e.V. ermöglichte einen Teil dieses Einsatzes durch seine finanzielle Unterstützung